DBRD Stellungnahme zu BTMG & BTMVV

  • Zumindest nicht bei den Einsätzen, bei denen ich irgendwie mit dabei war.

    Vielleicht ist das aber auch der Grund - dass man sich dagegen entschieden hat, weil du potentere Medikamente nutzen könntest.

    Mein Eindruck war bisher, dass gerade bei Schulungen relativ offensiv mit der MOR-antagonistischen Wirkung "Werbung" gemacht wurde.

  • Vielleicht ist das aber auch der Grund - dass man sich dagegen entschieden hat, weil du potentere Medikamente nutzen könntest.

    Genau das vermute ich teilweise auch, was ich aber als schlecht empfinde. Wenn ein Großteil des RD vorhandene SOP aufgrund lediglich vermuteter nicht ausreichender Wirkung nicht anwendet, dann können weder mit dem Medikament noch mit der SOP Erfahrungen gesammelt werden.

    Wenn man nach einem Jahr feststellt, dass bei einem Großteil der behandelten Patienten doch der NA mit stärkeren Medikamenten angefordert werden musste, und die stärkeren Medikamente dann zusätzlich höher dosiert werden musstenen wie allgemein üblich, kann man die SOP ändern oder das Medikament wieder ganz herausnehmen. Wenn man aber die SOP nach ein- oder zweimaligem Misserfolg einfach nicht mehr anwendet, dann ist das einfach wenig sinnvoll oder hilfreich.

  • Moin,


    Auch ich kann zu Nalbuphin direkt nichts beitragen, bei uns auf der Ecke ist es aber auch schlicht nicht freigegeben, meines Wissens nach.


    Allerdings wurde hier auf der Ecke in letzter Zeit ambulant - also nicht durch den RD - recht häufig Buprenorphin auch außerhalb der Suchttherapie verordnet. Es hat ja einen pharmakologisch vergleichbar beschriebenen Ceiling-Effekt. Und meiner Erfahrung - und auch der meiner Klinik, soweit ich den Flurfunk dazu überblicke - macht das wirklich miesen Ärger. Zwar ist es selbst ein wirklich potentes Opiat, sodass man in der normalen Analgesie einfach beim gleichen Wirkstoff bleiben kann, geht das aber nicht (zB. weil eine Narkose erforderlich ist) oder wird es nicht gemacht (im Zweifel, weil die Notaufnahme es nicht hat oder sich nicht damit auskennt), sind die Abweichungen in Wirkstärke und Wirkdauer vergleichbar mit einem jahrelang aktiven Polytoxikomanen.


    Das bedeutet man kann den Sättigungseffekt (bei Buprenorphin) durchaus mit entsprechender Repetitionsrate und hoher Dosis brechen, es wird aber für alle Beteiligten ein wilder Ritt und eine unschöne Situation. Glücklicherweise endete diese Verordnungswelle so schlagartig wie sie begann.


    Inwieweit man diese Erfahrung übertragen kann, vermag ich nicht zu sagen. Ich vermute stark, dass man Nalbuphin weit früher wechseln muss da Buprenorphin ca 100 mal stärker ist, legt man die Morphinkennzahl zugrunde.


    Ergänzend möchte ich aber noch anfügen, dass auch der unselektierte Einsatz von Ketamin auf das gesamte Patientenklientel durchaus auch erkennbare Probleme macht. Insbesondere weil der Landesalgorithmus keine prophylaktische Benzodiazepingabe vorsieht, sondern diese erst nach einem getrennten Algorithmus für den psychischen Ausnahmezustand später erfolgt. Sodass man nicht so selten, wie man hoffen könnte einen letztlich erheblich sedierten, nicht-nüchternen Patienten mit unzureichender Analgesie in einem Zustand des produktiven Delirs in der Notaufnahme vorfindet. Anzumerken ist dabei aber, dass die Perspektive als Anästhesist hier verzerrt sein wird. Man wird ja am ehesten dazugerufen, wenn es schief gegangen ist, und es ist an dem Punkt nicht mehr ganz klar, welche Institution jetzt welchen Teil des Zustands herbeigeführt hat. Aber es ist beim geriatrischen Patienten durchaus mit Problemen zu rechnen. Daher begrüße ich die Gesetzesänderung sehr. Wenn man jetzt noch dazu kommt, die Algorithmen ein wenig aufzufächern, welche Situation den wohl für welches Schmerzmittel am geeignetsten ist, und nochmal etwas Sensibilität für Probleme aus fehlender Nüchternheit schafft, könnte das richtig gut werden.


    Viele Grüße

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Wobei anzumerken ist,dass die Monogabe von (Normal-)Ketamin eigentlich eine gute Evidenzlage hat und seit Jahrzehnten außerhalb des deutschsprachigen Raumes Standard ist ohne das massive Delir ein herausragendes Problem ist.

    Hier ist neben dem von dir angesprochenen Observers bias ggf. auch die mangelnde Delirprophylaxe bzw. das mangelnde Wissen dazu ein Thema - ich erlebe hier sowohl im RD als auch in den ZNAen immer wieder wilde Sachen und Meinungen.

  • hat eigentlich irgend ein Rettungsdienst in Deutschland noch "Normal" Ketamin und nicht Esketamin in der Bevorratung?

    Ich weiß, dass der Kreis Dormagen mit normalen Ketamin arbeitet.


    Noch etwas anderes zu Ketamin. Die Rate an Nebenwirkungen ist ja auch davon abhängig, ob ich es i.v., nasal, i.m. oder vernebelt gebe.

    Nutzen es alle i.v. oder sind irgendwo auch andere Applikationsformen vorgesehen?

  • Ich weiß, dass der Kreis Dormagen mit normalen Ketamin arbeitet.


    Noch etwas anderes zu Ketamin. Die Rate an Nebenwirkungen ist ja auch davon abhängig, ob ich es i.v., nasal, i.m. oder vernebelt gebe.

    Nutzen es alle i.v. oder sind irgendwo auch andere Applikationsformen vorgesehen?

    entscheidend ist die Applikationsgeschwindigkeit. Da birgt iv einfach das höchste Risiko das Medikament sehr schnell zu geben.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • entscheidend ist die Applikationsgeschwindigkeit. Da birgt iv einfach das höchste Risiko das Medikament sehr schnell zu geben.

    Ja. Eben... Meine Helden sind immer die Menschen die das rein knallen als gäbe es kein Morgen während im Hintergrund der RS die Schaufeltrage richtet und entsprechend laut rumklappert und man selber währenddessen mit dem Prakti Witze machen....und dann wird der Patient in der ZNA in den Gang geschoben damit man ihn besser überwachen kann.


    ...und dann wundert man sich über den Delir.

  • Noch etwas anderes zu Ketamin. Die Rate an Nebenwirkungen ist ja auch davon abhängig, ob ich es i.v., nasal, i.m. oder vernebelt gebe.

    Nutzen es alle i.v. oder sind irgendwo auch andere Applikationsformen vorgesehen?

    Es scheint die Geschwindigkeit der Applikation eine grosse Rolle zu spielen. Ich gebe es gerne als Kurzinfusion.

  • Allerdings wurde hier auf der Ecke in letzter Zeit ambulant - also nicht durch den RD - recht häufig Buprenorphin auch außerhalb der Suchttherapie verordnet.

    Naja, dafür ist es ja auch zugelassen. Buprenorphin als transdermales Pflaster ist ein gängiges Analgetikum zum Beispiel in der Tumorschmerztherapie und Palliativmedizin und leistet gerade bei Patienten mit eingeschränkter Compliance oder Schluckbeschwerden gute Dienste. Außerdem hat man mit ihm eine Alternative zu anderen Opioiden, wenn diese nur noch unzureichend wirken bei einer Opiatrotation.


    Die Substitutionstherapie mit Buprenorphin kam m.W.n. ja erst deutlich später.


    Und meiner Erfahrung - und auch der meiner Klinik, soweit ich den Flurfunk dazu überblicke - macht das wirklich miesen Ärger. Zwar ist es selbst ein wirklich potentes Opiat, sodass man in der normalen Analgesie einfach beim gleichen Wirkstoff bleiben kann, geht das aber nicht (zB. weil eine Narkose erforderlich ist) oder wird es nicht gemacht (im Zweifel, weil die Notaufnahme es nicht hat oder sich nicht damit auskennt), sind die Abweichungen in Wirkstärke und Wirkdauer vergleichbar mit einem jahrelang aktiven Polytoxikomanen.

    Man kann Schmerzpatienten nicht ein gutes Analgetikum vorenthalten, nur, weil sie vielleicht irgendwann mal operiert werden müssen oder sie sich stärker verletzt haben und sich dadurch die Schmerzeinstellung schwieriger gestaltet. Sonst dürfte man auch alle anderen Medikamente nicht verordnen, weil diese in irgendeiner Form mit Anästhetika oder anderen dringlichen Interventionen interagieren.

  • Naja, dafür ist es ja auch zugelassen. Buprenorphin als transdermales Pflaster ist ein gängiges Analgetikum zum Beispiel in der Tumorschmerztherapie und Palliativmedizin und leistet gerade bei Patienten mit eingeschränkter Compliance oder Schluckbeschwerden gute Dienste. Außerdem hat man mit ihm eine Alternative zu anderen Opioiden, wenn diese nur noch unzureichend wirken bei einer Opiatrotation.


    Die Substitutionstherapie mit Buprenorphin kam m.W.n. ja erst deutlich später.


    Man kann Schmerzpatienten nicht ein gutes Analgetikum vorenthalten, nur, weil sie vielleicht irgendwann mal operiert werden müssen oder sie sich stärker verletzt haben und sich dadurch die Schmerzeinstellung schwieriger gestaltet. Sonst dürfte man auch alle anderen Medikamente nicht verordnen, weil diese in irgendeiner Form mit Anästhetika oder anderen dringlichen Interventionen interagieren.

    Dem habe ich auch nicht widersprochen. In der Palliativmedizin hat es sicher seine Berechtigung, aber ich dachte, dass das recht offensichtlich nicht der Kontext dieses Themas ist. Ein eskalierter Schmerz bei einem Palliativpatienten, der durch die vom betreuenden Arzt verordnete Bedarfsmedikation nicht abgedeckt werden kann, wird sich meiner Meinung nach kaum im Rahmen einer SOP für Notfallsanitäter lösen lassen. Daher bezog sich mein klinisches Beispiel, es wurde hier ja nach Erfahrungen aus dem Bereich gefragt, auch auf den klassischen traumatologischen Patienten, für den eine Vormedikation mit Buprenorphin doch eher ungewöhnlich ist. Ich hielt den Kontext für so offensichtlich, dass ich ihn nicht extra erwähnt habe. Aber um es klarzustellen: es ging mir um traumatologische Patienten, die in eine Gruppe fallen, die üblicherweise Analgesie im Rahmen einer SOP durch NFS ohne Notarztruf erhalten würden. Es ging mir nicht um Patienten, die sich in palliativer oder spezieller schmerztherapeutischer Behandlung befinden.

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  • Ich weiß, dass der Kreis Dormagen mit normalen Ketamin arbeitet.


    Noch etwas anderes zu Ketamin. Die Rate an Nebenwirkungen ist ja auch davon abhängig, ob ich es i.v., nasal, i.m. oder vernebelt gebe.

    Nutzen es alle i.v. oder sind irgendwo auch andere Applikationsformen vorgesehen?

    Interessant, danke :)
    Ich musste zwar "Dormagen" googlen - aber dann muss ich meinen Sprech den Azubi gegenüber ändern - dass wir deutschen eigentlich "überall" nur Esketamin haben.


    Alternative Applikationsformen sind vorgesehen und werden belehrt in der 3-Jährigen Ausbildung.


    Beispiel:

    - Akut-Schmerzlinderung über MAD Applikator bei Erwachsenen und einer Symptomatik die es nicht erlaubt einen Zugang zu legen - aber sofortige Intervention (Großflächige Verbrennungen bei entsprechender Agitation des Schmerzgeplagten z.b.)

    - Im Rahmen der Analgesie (und Analgosedierung) beim Kind auch mittels MAD - entsprechend über eine Dosierungstabelle als Empfehlung in Bayern veröffentlicht.

  • auch auf den klassischen traumatologischen Patienten, für den eine Vormedikation mit Buprenorphin doch eher ungewöhnlich ist. Ich hielt den Kontext für so offensichtlich, dass ich ihn nicht extra erwähnt habe. Aber um es klarzustellen: es ging mir um traumatologische Patienten, die in eine Gruppe fallen, die üblicherweise Analgesie im Rahmen einer SOP durch NFS ohne Notarztruf erhalten würden. Es ging mir nicht um Patienten, die sich in palliativer oder spezieller schmerztherapeutischer Behandlung befinden.

    Was genau ist denn für dich der klassische, traumatologische Patient? Ich denke, dass eine gestürzte, ältere Person mit einer Fraktur, die nicht ohne zusätzliche Analgesie gelagert oder transportiert werden kann und zusätzlich ein Opiat in der Vormedikation hat, jetzt gar nicht mal so selten ist. Da Opiate außerhalb der Tumorschmerztherapie inzwischen ebenso ihren Stellenwert haben und Pflaster halt auch gewisse Vorteile haben, sind diese auch nicht eher ungewöhnlich. Dafür bedarf es auch keiner speziellen schmerztherapeutischen Behandlung. Diese verordnen Orthopäden, Hausärzte und Schmerzmediziner heute (zum Glück) gleichermaßen.

  • Ich würde dir bei deiner Patientenbeschreibung nicht widersprechen. Transdermal hat viele Vorteile, wird aber doch recht selten angewandt, wenn es nicht um Palliativmedizin und spezielle Schmerztherapie geht, zumindest ist das mein Erleben. Und wenn es ein Pflaster ist, ist wesentlich häufiger Fentanyl als Buprenorphin. Und oral erlebe ich als häufig Tramadol, Tilidin, Oxycodon und Tapendadol, Buprenorphin kommt zwar vor, ist aber selten.


    Ich hab's jetzt doch mal kurz recherchiert, da man mit Wahrnehmung nicht gut diskutieren kann: Der Arzneimittelreport 2021 (Ludwig et al.) und die publizierten Verordnungsdaten der Hanseatischen Krankenkasse 2020 stützen meine Wahrnehmung diesbezüglich. In den genannten Quellen (die Palliativmedizin und Substitution einschließen) ist Buprenorphin das an seltensten verordnete starke Opiat (Fentanyl etwa 500% defined daily doses, Morphin relativ knapp mehr) und am viert seltensten verordnete Opiat (seltener: Pethidin, Levomethadon, Piritramid) der jeweils betrachteten Gruppe. Der Opiodreport 2022 von Gaeske et al. fasst diese und weitere Quellen ganz gut zusammen, für den interessierten und ist sogar deutschsprachig.


    Aber da dieser Exkurs hier wirklich wenig mit dem Thema zu tun hat und auch nicht auf den für das Thema relevanten bezog meines Beispiels, können wir es hier vielleicht gut sein lassen? Wir können das gern per PN weiterführen. Aber hier ist es glaube ich nicht mehr von allgemeinem Interesse. Ich wollte es nur als Beispiel eines klinischen Erlebens eines Ceiling-Effekts anführen.


    Als Fazit biete ich an, dass zumindest beim rettungsdienstlich versorgten Traumapatienten, bei dem eine operative Versorgung nicht unwahrscheinlich erscheint, könnte es sich anbieten, ein Opiat ohne diesen Effekt zu wählen, wenn es sonst mindestens in etwa gleichwertig ist. Das dürfte für Nalbuphin wohl erreichbar sein.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Wir haben nur die 25 mg / 5 ml Ampullen. Auf Grund dieser Dosierung fällt jegliche andere Applikationform weg.

    bei erwachsenen.

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  • Insbesondere vernebeln hat eine extrem geringe Rate an Nebenwirkungen bei einer durchschnittlichen Reduzierung der NRS um 4. Warum also konkret hoffentlich nicht?

    Weil es ein i.v.-Medikament ist, ganz einfach. Lasst und die Medikamente doch grundsätzlich mal so geben wie sie gedacht sind. Diese ganzen Nummern haben mMn doch fast immer zwei Gründe:
    Entweder man will etwas trotzdem irgendwie dem nicht-ärztlichen Personal ermöglichen und versucht Schlupflöcher zu finden (Bsp. Nalbuphin; soweit mir bekannt ist es für den Laien bei Krebspatienten entwickelt worden) oder man will coole neue Sachen ausprobieren (Bsp. Midazolam Nasal; Wozu? Das Zeug brennt, ist nicht gut für die Nasenschleimhaut, extrem begrenzt in der Menge die man applizieren kann und mitnichten einfacher als Buccolam).
    Mit der Änderung des BtMG sind doch jetzt eigentlich alle rechtlichen Schranken beiseite geschafft worden, oder? Also liegt es doch jetzt eigentlich nur am Zutrauen. Und da kann ich nur sagen: dann mal los!
    Wenn ich dann von einer Region höre, die Ketanest-S in 100ml NaCl geben sollen und dann in den Patienten rein laufen lassen sollen bis Analgesie erreicht wird mir leider doch recht schwindelig. Oder Vomex in 500ml Ringer.

    Versteh mich nicht falsch, es ist gutes, probates Wissen was wir haben müssen um in expliziten Ausnahmefällen hier vielleicht doch noch einen Pfeil im Köcher zu haben; Stichwort: Kleinkinder. Aber es sollten Ausnahmefälle sein.

  • Mono Esketamin in 100ml NaCl ist ja intravenös und bei älteren Patienten ein geniales Tool, wenn es nur um Analgesie geht, bei minimalen psychotropen Nebenwirkungen.

    Bei tieferer Analgo Sedierung mit Midazolam und Esketamin zur Fraktur Repostion, sieht man ohne O2 fast immer Sättigungsabfälle.


    Der MAD ist halt aktuell ein Hype und hat mehr Nach- als Vorteile gegenüber der i.m. Applikation