Bilaterale Feldamputation nach Einklemmung in Mähdrescher bei Rostock

  • "Die Polizei ermittelt nach dem Mähdrescher-Unfall in Hohen Luckow bei Bützow, bei dem ein 25-Jähriger beide Beine verloren hat."

    NDR

    "Ein sechsköpfiges Ärzteteam und Blutkonserven wurden per Hubschrauber eingeflogen. Bei der Not-OP vor Ort musste das Team beide Beine des 25-Jährigen an den Oberschenkeln amputieren. Dieser war fast bis zur Hüfte eingeklemmt."

    ZDF


    Man sieht mal wieder, auch extrem invasive Maßnahmen kommen immer mal wieder - wenn auch sehr selten - vor und haben daher ihre Berechtigung in Ausbildung und Training. Wäre der Patient nicht so stabil gewesen, hätte man sicher nicht auf das OP-Team warten können.. Welcher Notarzt und welches RTW-Team wäre hierfür (mental und skilltechnisch) vorbereitet gewesen?

  • Nach so einer Nummer kannst das Auto in die 6 stellen und erst am nächsten Morgen wieder in den Dienst nehmen. Nach Reinigung und Personalwechsel.


    Ich hab jetzt ein paar Jahre auf dem Buckel, das wäre einer der Einsätze die man nicht braucht. Nie. 🤷

  • Nach so einer Nummer kannst das Auto in die 6 stellen und erst am nächsten Morgen wieder in den Dienst nehmen. Nach Reinigung und Personalwechsel.


    Ich hab jetzt ein paar Jahre auf dem Buckel, das wäre einer der Einsätze die man nicht braucht. Nie. 🤷

    Ich glaube die Reinigung wäre nicht das Problem. Idealerweise blutet der Patient nicht (mehr) und die Maßnahme wird ja nicht im RTW durchgeführt.

    Das ggf ein Personalwechsel notwendig wird steht natürlich auf einer anderen Seite..

    Ich wünsche es keinem Patienten, aber ich finde es spannend. Aber ich bin sicher auch etwas spezieller ;-)

  • Ist bei sowas eine Restitutio ad integrum im Bereich des Möglichen?

    Ich vermute eher nicht. Das würde ja bedeuten, dass die Beine aus dem Häcksler gerettet werden können und dann auch noch beide erfolgreich replantiert werden... sowohl aufgrund der Versorgungszeit (OP + Bergungder Beine), als auch des Mechanismus halte ich das für eher unrealistisch.

  • Spontan fällt mir ein das ein Notamputationsbesteck (zusammen mit anderen Sets) früher normaler Bestandteil eines RTW war.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Man sieht mal wieder, auch extrem invasive Maßnahmen kommen immer mal wieder - wenn auch sehr selten - vor und haben daher ihre Berechtigung in Ausbildung und Training. Wäre der Patient nicht so stabil gewesen, hätte man sicher nicht auf das OP-Team warten können.. Welcher Notarzt und welches RTW-Team wäre hierfür (mental und skilltechnisch) vorbereitet gewesen?

    Ich wüsste jetzt nicht, dass Amputationen großer Extremitäten Inhalt und Schulung der NA-Ausbildung wären. Ich wüsste auch nicht, dass auf den Fahrzeugen Material vorgehalten würde, mit dem man so große Extremitäten abtrennen könnte, selbst, wenn man es könnte.


    Wäre der Patient nicht stabil gewesen und man ihn auch nicht durch Abbinden oder, wenn vorhanden und möglich, der REBOA stabilisiert bekommt, dann wäre er wahrscheinlich schlicht verstorben. Für eine beidseitige OS-Amputation, die normalerweise von einem Anästhesisten, einem Anästhesie-Pfleger, einem Chirurgen sowie ein bis zwei OP-Pflegekräften mit ausreichend chirurgischem sowie anästhesiologischem Material versorgt wird, ist ein Team bestehend aus aus einem NA, zwei NFS und einem RS mit einem Skalpell, Pinzette, Schere und Faden weder ausgestattet noch ausgebildet und kann und soll auch nicht erwartet werden.

  • Ich vermute eher nicht. Das würde ja bedeuten, dass die Beine aus dem Häcksler gerettet werden können und dann auch noch beide erfolgreich replantiert werden... sowohl aufgrund der Versorgungszeit (OP + Bergungder Beine), als auch des Mechanismus halte ich das für eher unrealistisch.

    Die Beine waren in den Förderschnecken des Getreidetanks geraten. Diese haben je nach Hersteller eine Kornförderbreite im Bereich weniger cm.

    Und sind üblicher Weise aus massivem Metall.


    Das war auch der Grund für die Amputationsentscheidung - im Endeffekt war es ein wenig egal ob der Patient nun vor Ort seine Beine verliert oder im OP Saal, selbigen aber vielleicht nicht mehr lebend erreicht.


    Schwieriger ist wohl die FW gewesen, man hat hier wohl taktische Fehler begannen. Da kann ich aber leider nicht mehr zu sagen.

  • Ich wüsste jetzt nicht, dass Amputationen großer Extremitäten Inhalt und Schulung der NA-Ausbildung wären. Ich wüsste auch nicht, dass auf den Fahrzeugen Material vorgehalten würde, mit dem man so große Extremitäten abtrennen könnte, selbst, wenn man es könnte.


    Wäre der Patient nicht stabil gewesen und man ihn auch nicht durch Abbinden oder, wenn vorhanden und möglich, der REBOA stabilisiert bekommt, dann wäre er wahrscheinlich schlicht verstorben. Für eine beidseitige OS-Amputation, die normalerweise von einem Anästhesisten, einem Anästhesie-Pfleger, einem Chirurgen sowie ein bis zwei OP-Pflegekräften mit ausreichend chirurgischem sowie anästhesiologischem Material versorgt wird, ist ein Team bestehend aus aus einem NA, zwei NFS und einem RS mit einem Skalpell, Pinzette, Schere und Faden weder ausgestattet noch ausgebildet und kann und soll auch nicht erwartet werden.

    Natürlich ist das nicht Gegenstand der NA Ausbildung oder bekannter Fortbildungen (keine Sorge, ich bin mir sicher, auch da wird es noch einen Kurs mit coolem Namen und/oder Buchstaben zu geben). Darauf will ich ja auch hinaus, genauso wie den Fakt, dass kaum noch ein NEF entsprechendes Material vorhält.


    Grundsätzlich gibt es zwei Optionen:

    Man kommt dran und kann TQs anlegen - das sollte eh der erste Schritt sein. Ansonsten wäre nur eine Amputation im Grundgelenk Hüfte/Schulter eine Option und dafür bedarf es tatsächlich - gerade wenn es schnell gehen muss - erfahrene Operateure (ab bekommt das jeder, aber der Patient sollte es ja auch überleben).

    Dann kommt es drauf an: Ist der Patient (soweit) stabil kann und sollte auf ein erfahrenes Team + entsprechendes Eqipment gewartet werden. Ist der Patient aber instabil und hat ggf. weitere zeitkritische Baustellen, dann kann man eben nicht warten. Dann ist die sofortige Feldamputation ultimativ lebensrettend.


    Und die ist tatsächlich kein Hexenwerk, da kein Anspruch auf rekonstruktive oder ästhetische Aspekte. Einfach nur ab. Dafür braucht man ein Skalpell (scharfes Messer geht auch) und eine Säge. Entweder eine klassische Knochensäge oder Gigli. Im Gelenk geht es theoretisch auch ohne Säge, aber das ist deutlich mehr Arbeit und dauert länger (und das Skalpell ist unterwegs stumpf). Zirkulär das Gewebe bis auf den Knochen schneiden, den Knochen dann mit der Säge durchtrennen. Fertig. Muss im OP dann natürlich nachgekürzt werden um eine Stumpf schaffen zu können, aber hierfür ist das Überleben ja die erste Prämisse.


    Ich persönlich halte es daher eher für eine mentale Frage (von der Säge abgesehen), als eine der Skills.


    PS: Nach dem Fertig den Stumpf noch tamponieren - denn aus dem Knochen kann es auch trotz TQ noch bluten.

  • Also ich kenne NEF, die für diesen Zweck eine Knochensäge mitführen.


    Dort werden z. B. auch Patientenerstversorgungssets mitgeführt, die für den MANV gedacht sind und Material für - ich meine - 10 Patienten einzeln pro Patient als Set verpackt, bereithalten.


    Mittlerweile hat jeder Leistungserbringer das Fahrgestell auf Kleintransporter umgestellt, um alle geforderten Materialien verstauen zu können.

  • Nein, es sind chirurgische Siebe zum Einsatz gekommen. Da wurde das komplette Programm aus er Klinik zugebracht.

    Aber, es gibt tatsächlich RD Bereiche in denen auf den NEFs erweiterte chirurgische/invasive Ausstattung vorhnaden ist (wie zB be uns).

    Sonst heißt es McGyver: abnagen!

  • Wir haben eine Gigli-Säge im Ausbildungsschrank. War früher (wie oben schon erwähnt) Teil der RTW- bzw. NEF-Ausstattung, zusammen mit noch anderem Kram. Ein chir. Messer z.B. war auch dabei.

    Persönlich ist mir ein Einsatz bekannt wo es tatsächlich gemacht wurde. Der Fall ist 23 Jahre her und war bei einem MANV. Nachdem es keine Chance gab die Beine zu befreien hat man den Schritt gemacht. Der Notarzt, welcher die Sache durchgeführt hat ist mir bekannt. Er war selber Chirurg und hat sich, als die Entscheidung getroffen wurde, noch zwei Kollegen dazu gebeten. Einen weiteren Chirurgen zur Assistenz und einen Anästhesisten. Die haben damals das OP-Set vom NEF genutzt. Selbst dabei war ich allerdings nicht.
    Bei einem weiteren Fall war ein Patient mit einem Arm zwischen zwei Walzen eingeklemmt. Hier hat man auch überlegt, aber dann (sehr genial wie ich finde) hat der NA Material aus dem KH angefordert um einen Plexus zu setzen. Damit waren die Schmerzen weg und die FW konnte die Maschine zerlegen.
    Auch hier kenne ich nur die Berichte aus erster Hand.

    Bei dem Fall ist aber mMn auch die Logistik dahinter sehr interessant. Finde mal bitte auf die Schnelle ein KH, welches dieses Material da hat, bereit ist damit anzurücken, das entsprechende Personal überhaupt hat und dies dann vor Ort auch durchführt. Denn bei allem Respekt: da machen auch große Häuser mal spontan OP - Säle dicht.
    Klar hilft beim Transport die FW, aber diese Art des OP-Saals dürfte auch die OP-Pflege nicht unerheblich stressen. Ganz ab von der eigenen Gefahr, die hier auch vom Einsatzort durchaus gegeben ist.

    Und auch hier ist der ethische Faktor immens! Der Patient ist nach der Amputation alles andere als gerettet und wird dann sicher überleben. Und im Zweifel bleibt auch die (sorry) perverse Frage: was ist wenn man nicht amputieren kann, weil bspw. bis zum Becken kein rankommen?

  • Und auch hier ist der ethische Faktor immens! Der Patient ist nach der Amputation alles andere als gerettet und wird dann sicher überleben. Und im Zweifel bleibt auch die (sorry) perverse Frage: was ist wenn man nicht amputieren kann, weil bspw. bis zum Becken kein rankommen?

    Wieso pervers? Dann wirst du halt leider zum blauen Patienten.

    Do your job right – Treat people right – Give all out effort – Have an all in attitude.

    ~ Mark vonAppen

  • Ja, das sagt sich so nüchtern. Aber ich halte diese Aufgabe für absolut brutal. Du begleitest da jemandem beim sterben bzw. noch weiter: du hilfst nach.

  • Und im Zweifel bleibt auch die (sorry) perverse Frage: was ist wenn man nicht amputieren kann, weil bspw. bis zum Becken kein rankommen?

    Das ist sicher keine einfache Situation. Gleichzeitig ist Leben und Tod ja doch irgendwie ein regelmäßiger Bestandteil unserer Arbeit oder?
    Ich will nichts herunterspielen, ich glaube nur, wir täten gut daran uns daran zu erinnern, dass auch solche Einsätze zu unseren Aufgaben gehören. Der Patient hat sich nicht ausgesucht dort drinnen zu stecken, aber wir haben uns ausgesucht den Beruf auszuüben.

    Das Mindset spielt hier (wie bei allen HALO Prozeduren) eine wesentliche Rolle, meine ich. Und auch das eigene mentale Framing der Situation (wir tun alles um zu helfen vrs. wir bringen den um) wird für die mentale Widerstandsfähigkeit (Resilienz) eine große Rolle spielen.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Ich wüsste jetzt nicht, dass Amputationen großer Extremitäten Inhalt und Schulung der NA-Ausbildung wären.

    ...

    ist ein Team bestehend aus aus einem NA, zwei NFS und einem RS mit einem Skalpell, Pinzette, Schere und Faden weder ausgestattet noch ausgebildet und kann und soll auch nicht erwartet werden.

    Das ist doch die spannende Frage. Was erwarten wir, und was muss in Ausstattung und Ausbildung entsprechend angepasst werden?
    Für die arztbesetzten RTH in UK sind Not-Amputationen definitiv Teil des Skillsets, des Materials, der SOPs und der Erwartungshaltung.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Ja, das sagt sich so nüchtern. Aber ich halte diese Aufgabe für absolut brutal. Du begleitest da jemandem beim sterben bzw. noch weiter: du hilfst nach.

    Ich denke, wir verstehen da unter dem Wort pervers (im Sinne von abnorm) was anderes. Es ist mit Sicherheit keine schöne Aufgabe, aber sie kann zum Job gehören. Wir können nicht jeden retten und manchmal wird es halt palliativ. Da sollte man sich drauf einstellen und nicht diesen Schritt zwar sehr gut überlegen und im Team abstimmen, aber ihn auch nicht unnötig verzögern.

    Do your job right – Treat people right – Give all out effort – Have an all in attitude.

    ~ Mark vonAppen