Mann nach Kopfschuss fälschlicherweise für tot erklärt.

  • In Bad-Waldsee, Baden-Württemberg, wurde im Juli 2023 ein Mann fälschlicherweise für tot erklärt, nachdem er sich in den Kopf geschossen hatte.

    Erst die Polizei bemerkte dass der Mann noch lebte und alarmierte erneut den Rettungsdienst.

    Ja, ist selten, kommt aber vor. Hatte ich auch schon nach einem Suizidversuch mit Tabletteneinnahme. Der KDD stellte dann fest, dass der Patient noch lebt, und forderte RD+NA ein. Es kamen dann wieder dieselben Fahrzeuge; der Notarzt war ... überrascht, gelinde gesagt, Der Patient hat tatsächlich überlebt. (Keine Ahnung, ob er das jetzt - angesichts des Suizidversuchs - gut oder schlecht fand.)

    "Unterlassene Hilfeleistung" ist im Zweifel Quatsch, und der Rest wird an der Kausalität scheitern. Dennoch: man sollte bei den "nicht mit dem Leben zu vereinbarenden Verletzungen" offenbar vorsichtig sein.

    Einmal editiert, zuletzt von thh () aus folgendem Grund: Ausgang des Geschehens ergänzt.

  • Dennoch: man sollte bei den "nicht mit dem Leben zu vereinbarenden Verletzungen" offenbar vorsichtig sein.

    Im vorliegenden Fall fehlte es offenbar an der sogenannten Denknotwendigkeit.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Fairerweise wird immer wieder auch vom Lazarus-Phänomen berichtet. Möglicherweise erklärt das auch manche „Fehldiagnose“.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Fairerweise wird immer wieder auch vom Lazarus-Phänomen berichtet. Möglicherweise erklärt das auch manche „Fehldiagnose“.

    Inwiefern? Eine einfache EKG-Ableitung sollte das vermeiden können, oder?

  • Inwiefern? Eine einfache EKG-Ableitung sollte das vermeiden können, oder?

    Nicht zwingend.


    Ich hatte letztes Jahr genau so einen Fall. Initiale Reanimation mit frustranem Ausgang, im EKG jederzeit Asystolie.

    Nach Einstellung der Reanimation ordentliche Todesfeststellung durch unsere Notärztin und wegen unklarem Tod wurde das Institut für Rechtsmedizin hinzugeholt. Der Arzt des IRM stellte ebenfalls den Tod fest.

    Weil die „Verstorbene“ bereits bei uns im RTW war und die Rechtsmedizin quasi ums Eck lag, haben wir in Absprache mit allen Beteiligten dorthin transportiert.

    Bei Ankunft haben wir dann beim zufälligen Blick in die Patientenraum-Kamera (wir sassen beide vorne) festgestellt, dass die Patientin einen Arm bewegt…

    Zum Glück liegen Rechtsmedizin und Notaufnahme nur ca. 100m auseinander, darum Zielortwechsel dorthin.


    Schlussendlich hat die Patientin ohne jegliche Folgeschäden überlebt und konnte nach wenigen Tagen entlassen werden.

    Zwischen Abbruch der Reanimationsbemühungen und erstem Bemerken einer Vitalfunktion vergingen 56 Minuten.


    Wie und warum es zu diesem Lazarus-Effekt kam, konnte bis jetzt nicht erklärt werden.


    Die Patientin erfreut sich übrigens bester Gesundheit, im Rahmen der Aufarbeitung des Falles durfte ich zusammen mit der Notärztin die Patientin kürzlich wieder treffen.

  • Danke für die Fallschilderung.


    Ich gehe jetzt einfach mal nicht davon aus, dass die Frau tatsächlich über eine Stunde lang asystol war, bevor sie folgenlos überlebte. Woher kommt dieses Paradoxon? Technischer Fehler bei der Ableitung? Fehler beim Anwender? Medizinische Sensation? Wunder im religiösen Sinne?


    Hat jemand einen schlüssigen Ansatz?

  • Kann mich ebenfalls düster an eine prolongierte, frustrane Reanimation erinnern. Patient nach Abbruch bei unklarer Todesursache der Polizei übergeben, die dann auf den Kriminaldauerdienst wartete. Während der Wartezeit hustete der Patient seinen Tubus aus.

  • Kann mich ebenfalls düster an eine prolongierte, frustrane Reanimation erinnern. Patient nach Abbruch bei unklarer Todesursache der Polizei übergeben, die dann auf den Kriminaldauerdienst wartete. Während der Wartezeit hustete der Patient seinen Tubus aus.

    Jeder kennt ja diese Geschichten. Aber für mich ist es schon auch nochmal ein Unterschied, ob so ein Patient nochmal zuckt bzw. irgendwelche finalen Reflexe zeigt, bevor er endgültig abtritt, oder ob er (siehe oben) drei Tage später geheilt nach Hause geht und noch heute lebt, wenn er denn nicht gestorben ist…


  • Ich gehe jetzt einfach mal nicht davon aus, dass die Frau tatsächlich über eine Stunde lang asystol war, bevor sie folgenlos überlebte. Woher kommt dieses Paradoxon? Technischer Fehler bei der Ableitung? Fehler beim Anwender? Medizinische Sensation? Wunder im religiösen Sinne?


    Hat jemand einen schlüssigen Ansatz?

    Ich gehe mal davon aus, dass nach Abbruch der Reanimation die Patientin vom Monitor genommen wurde, also wäre es theoretisch möglich, dass in dem Moment der Kreislauf zurückgekehrt ist, was aber erst nach einer Stunde bemerkt wurde. Trotzdem ist ja von einer Asystoliezeit von min. 20min auszugehen, nämlich während der Reanimation. Dass das folgenlos überlebt wurde, spricht jedenfalls für die Qualität der HDM

  • Jeder kennt ja diese Geschichten. Aber für mich ist es schon auch nochmal ein Unterschied, ob so ein Patient nochmal zuckt bzw. irgendwelche finalen Reflexe zeigt, bevor er endgültig abtritt, oder ob er (siehe oben) drei Tage später geheilt nach Hause geht und noch heute lebt, wenn er denn nicht gestorben ist…

    Sorry, etwas verkürzt dargestellt: Der Patient entwickelte wieder einen Rhythmus und lebte noch mehere Tage in der Klinik.

  • Ich gehe mal davon aus, dass nach Abbruch der Reanimation die Patientin vom Monitor genommen wurde, also wäre es theoretisch möglich, dass in dem Moment der Kreislauf zurückgekehrt ist, was aber erst nach einer Stunde bemerkt wurde. Trotzdem ist ja von einer Asystoliezeit von min. 20min auszugehen, nämlich während der Reanimation. Dass das folgenlos überlebt wurde, spricht jedenfalls für die Qualität der HDM

    reine Reanimationszeit ca. 25 Minuten, danach lief der Monitor noch mindestens 5 Minuten weiter, bevor dieser von der Patientin entfernt wurde.

    Danke für die Fallschilderung.


    Ich gehe jetzt einfach mal nicht davon aus, dass die Frau tatsächlich über eine Stunde lang asystol war, bevor sie folgenlos überlebte. Woher kommt dieses Paradoxon? Technischer Fehler bei der Ableitung? Fehler beim Anwender? Medizinische Sensation? Wunder im religiösen Sinne?


    Hat jemand einen schlüssigen Ansatz?

    die Ursache konnte tatsächlich bis heute nicht geklärt werden.

    Im Rahmen der Aufarbeitung konnte jedoch ein technischer Fehler, wie auch menschliches Versagen mit grösster Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

  • reine Reanimationszeit ca. 25 Minuten, danach lief der Monitor noch mindestens 5 Minuten weiter, bevor dieser von der Patientin entfernt wurde.

    die Ursache konnte tatsächlich bis heute nicht geklärt werden.

    Im Rahmen der Aufarbeitung konnte jedoch ein technischer Fehler, wie auch menschliches Versagen mit grösster Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

    Gibt es zu dem Fall eine Publikation?

  • Mich würde interessieren, was der Monitor während der Reanimation gezeigt hat.


    Ich hatte vor Jahren (zu LP12-Zeiten) mal einen Fall einer extremen Niedervoltage. Wir sollten einen Patienten von Intensivstation zum Maximalversorger verlegen, glaube mit Diagnose Nierenversagen. Nach dem Anschluss an den Monitor zeigte der Patient ein Asystolie. Da er aber dafür doch etwas zu lebendig war, holten wir den Monitor des NEF und wechselten auf diesen Monitor. Im EKG blieb weiterhin die Asystolie bestehen. Auch mit anderen Elektroden und Elektrodenpositionen war nicht erstmal nichts zu holen.


    Schlussendlich haben wir Elektroden sehr nah am Herz geklebt und die EKG-Amplitude auf Maximum geschaltet. Damit waren QRS-Komplexe mit weiterhin sehr niedriger Höhe auf dem Monitor erkennbar.

  • Mich würde interessieren, was der Monitor während der Reanimation gezeigt hat.

    Es handelte sich um einen Zoll X-Serie, die Extremitäten-, wie auch die Pads-Ableitungen (gefiltert) zeigten eine deutliche Asystolie an.

    Die Kapnometrie ging von anfänglich relativ guten Werten kontinuierlich in Richtung Null.

  • Die geschilderten Fälle zeigen mir mal wieder, dass ich bei meinem bisherigen Vorgehen bleibe und ohne Livores oder Rigor keinen Schein ausstelle, egal, wie sehr man von Seiten der Polizei, Angehörigen oder anderen Beteiligten dazu gedrängt wird.


    Bei Ankunft haben wir dann beim zufälligen Blick in die Patientenraum-Kamera (wir sassen beide vorne) festgestellt, dass die Patientin einen Arm bewegt…

    Sehr häufig kann ich auch bei unmittelbarem Sterben von Patienten einen sehr raschen "Verfall" des Körpers im Sinne von zyanotischer oder sehr fahler Haut beobachten, so, dass man das Sterben des Körpers augenscheinlich sieht. War das bei euch irgendwie ähnlich zu erkennen?


    Es handelte sich um einen Zoll X-Serie, die Extremitäten-, wie auch die Pads-Ableitungen (gefiltert) zeigten eine deutliche Asystolie an.

    Die Kapnometrie ging von anfänglich relativ guten Werten kontinuierlich in Richtung Null.

    Pulsoxymetrie? Puls oder Sättigung ableitbar?

  • Sehr häufig kann ich auch bei unmittelbarem Sterben von Patienten einen sehr raschen "Verfall" des Körpers im Sinne von zyanotischer oder sehr fahler Haut beobachten, so, dass man das Sterben des Körpers augenscheinlich sieht. War das bei euch irgendwie ähnlich zu erkennen?


    Pulsoxymetrie? Puls oder Sättigung ableitbar?

    ja, die Patientin war deutlich fahl, nach Einstellung der Reanimationsbemühungen blieb das auch so.


    Pulsoxymetrie war dran, jedoch kaum ableitbare Werte.