Deutsches Ärzteblatt: "Kein politischer Mut"

  • Zitat

    "Als ärztlich Verantwortlicher für die präklinische Notfallversorgung in einem Flächenlandkreis ... vermisse ich bei dieser ganzen Debatte die Berücksichtigung eines der ebenfalls Hauptleidtragenden in dieser Entwicklung. Niemand spricht über den Rettungsdienst, der vor allen anderen von dieser Problematik betroffen ist. Steigerungsraten der Einsatzzahlen von zehn Prozent in jedem Jahr führen dazu, dass die Rettungsdienstträger permanent Vorhalteerweiterungen durchführen und die Krankenkassen das finanzieren müssen." [...]


    Quelle und vollständiger Text: https://www.aerzteblatt.de/arc…etag-Kein-politischer-Mut

  • Sowohl den ersten Artikel, als auch den zweiten auf den hier verwiesen wird finde ich interessant.
    Die anfängliche Argumentation und der Verweis auf den Rettungsdienst finde ich gut, was am Ende dabei herauskommt erzeugt bei mir aber nur Kopfschütteln. Den Versuch den Bürger über den Geldbeutel zu erziehen gibt und gab es schon vielfältig, auch in der Medizin (das nannte sich Praxisgebühr). Am Ende folgt bzw. folgte aber auch oft die Erkenntnis, dass man 1. die Leute die das System wirklich belasten damit nicht erziehen kann; 2. man Leute davon abhält das System zu nutzen, die es besser nutzen sollten und 3. der Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis steht. Gerade eben aus diesen drei Gründen halte ich eine finanzielle "Sanktion" für vollkommen unsachgemäß, zumal es hier gerade bei der Frage um die Indikation für ein Rettungsmittel; die Art des Rettungsmittels und den Transport sehr schnell unsachlich wird. Ein Beispiel gefällig? Der Patienten mit Hexenschuss. In seiner Not wählt er oder ein Angehöriger die 112, ggf. sogar nach der Konsultation der Sprechstundenhilfe des Hausarztes bzw. des ÄND. Der Disponent schickt in Folge der Schilderung und des rechtlichen "Spielraums" ein Rettungswagen. Der RTW vor Ort bekommt den Patienten irgendwie ohne Notarzt in den RTW und transportiert diesen dann in ein Krankenhaus. Jetzt fängt das Spiel mit der Kostenbeteiligung und der persönlichen Meinung an, denn Arzt Nr. 1 hatte das auch schon und schüttel über den fehlenden Notarzt und die fehlende Analgesie den Kopf; Arzt Nr. 2 erkennt noch irgendwie die Not der Lage, den Transport mit einem RTW hält er aber für nicht notwendig und Arzt Nr. 3 erkennt nur Rücken und das ist für ihn definitiv nichts für den Rettungsdienst und oder das Krankenhaus. So und nun? In 2 von 3 Fällen wird der Patient eine mehr oder minder große Aufforderung zur Beteiligung an den Kosten bekommen. Nur warum in 2 von 3 Fällen und nicht in allen 3 oder gar in keinem einen?
    Denkt man jetzt mal weiter trifft der Patient aus dem Beispiel eben der an Arzt Nr. 2 oder 3 gekommen ist einen Arzt vom Typus Nr. 1 und legt dann Widerspruch ein, die Folgen dürften klar sein. Hat eben jener Patient in einer anderen Konstellation keine Lust oder kein Geld zum zahlen steht der nächste Ärger ins Haus. Aus diesen zwei Konstellationen ergeben sich dann die nächsten Probleme.
    Aus eben diesen Gründen lehne ich diese angedachte finanzielle Beteiligung ab, zumal es da noch eine unerwähnte Problematik gibt.
    Wie will bzw. soll man denn dem Bürger erklären, dass er wegen jedem Zwicken und Zipperlein zum Arzt bzw. ins Krankenhaus soll, er aber mangels Indikation dafür x% bzw X€ zahlen soll?


    Der Angedachte Lösungsweg über den Geldbeutel ist keine Lösung, vor allem so lange, wie fast immer und überall vom Lebensgefahr und Tod berichtet wird.

  • Der Autor fordert doch schlicht eben nicht wegen jedem Zwicken und Zipperlein zum Arzt zu gehen. Es geht auch darum, dass der Patient mit Lumbischalgie wieder zum Hausarzt geht, der dafür durchaus zuständig ist und eben nicht unbedingt die Notaufnahme und es geht darum, dass falls dieser tatsächlich nicht dorthin kommt, er sich eben einen Transportschein für einen KTW organisiert und nicht den RTW nimmt. Der Vergleich zur Praxisgebühr ist auch nicht komplett zutreffend. Der Autor fordert eben keine Praxisgebühr, sondern eine pauschale Gebühr für die Nutzung eines Notdienstes, die jedes mal fällig wird. Da hat der Patient Alternativen, nämlich am nächsten Werktag zu Öffnungszeiten zum Hausarzt zu gehen und er wäre nicht mit einmalig 10 Euro für das Quartal durch. Ich habe keine Meinung, ob dies der richtige Weg ist, aber ich glaube schon, dass es funktionieren kann.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

    Einmal editiert, zuletzt von Johannes D. ()

  • Der Artikel trifft durchaus sehr gezielt ein bestehendes Problem. Wenn der RD bei allem sofort hilft, merkt man sich das natürlich. Ob es jetzt das richtige Mittel ist, interessiert den Bürger kein bisschen. Man kann dem Patienten nichts vorwerfen - das Problem ist systematisch. Jahrelang wurde den Leuten eingebläut immer brav die 112 zu wählen - es könnte ja ein Herzinfarkt oder Schlaganfall sein. Jetzt ist es plötzlich nicht mehr richtig? Sicherlich gibt es Fälle die eindeutig überflüssig sind, aber für Jemanden der sich medizinisch nicht auskennt und sonst immer gesund ist, wirkt schon eine kleine Abweichung vom Normalzustand bedrohlich.
    Ich würde es tatsächlich ganz deutlich hinterfragen, ob es flächendeckend eine wirkungsvolle Stärkung der Gesundheitskompetenz gibt. Ich habe bisher nicht den Eindruck gehabt, dass die Leute ausreichend über mögliche Krankheiten informiert sind. Es geht hier um staatliche Risikokommunikation. Wen das interessiert kann sich gerne mal die Bevölkerungsschutz 4/2012 organisieren. In einem Artikel beschreibt Hans-Peter Weinheimer das Problem recht gut. Deutschland ist ein recht krisenarmes Land. Demnach würde nur der sterbende Wald interessieren und nicht das Risiko dafür.


    Es wäre denkbar, dass es einen positiven Effekt hätte, wenn man hier schon proaktiv an den Bürger herantritt. Das gehört für mich verpflichtend zur Schulbildung und sollte meiner Meinung nach über Erste Hilfe hinaus gehen. Leider sterben die Omas aus, die Kindern und Enkeln noch erklären können, was man am besten bei einer Erkältung macht.

    "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein. "

  • Es wäre denkbar, dass es einen positiven Effekt hätte, wenn man hier schon proaktiv an den Bürger herantritt. Das gehört für mich verpflichtend zur Schulbildung und sollte meiner Meinung nach über Erste Hilfe hinaus gehen. Leider sterben die Omas aus, die Kindern und Enkeln noch erklären können, was man am besten bei einer Erkältung macht.


    Meiner Meinung nach muss "der Bürger" gar nicht im Detail differenzieren können zwischen Notfall und Nicht-Notfall.
    Es wäre doch völlig ausreichend, wenn die Leitstelle / die Rettungsmittelbesatzung / die Notaufnahme / die KV-Dienst-Vermittlung das könnte, den Bürger entsprechend beraten würde und vor allem rechtssicher (!) über ein weiteres Vorgehen entscheiden dürfte, d.h. Behandlungen oder Transporte bei klar fehlender Indikation ablehnen oder an zuständige Instanzen abgeben könnte, wissend, dass dabei ein Restrisiko für Fehleinschätzungen bleibt, die ausgewertet, analysiert und dadurch reduziert, aber eben nicht auf Null gedrückt werden können.

  • Ich fände eine Selbstbeteiligung von 50€ an den RTW-Kosten klasse.
    Meinetwegen inklusive Rückerstattung bei stationärer Aufnahme.


    Ich erlebe es regelmäßig, dass der Bürger mit Absicht einen RTW bestellt, da es ja günstiger ist als ein Taxi oder der eigene Sprit + Parkkosten oder gerade keiner Zeit und Lust hat, ins Krankenhaus zu fahren. (lieber noch das Kreisligaspiel zuende schauen und dann 2 Bier, danach wird der Kumpel abgeholt)
    Auch eine Ambulanz-Pauschale für Notaufnahmen würde sicher für einige Entlastung sorgen und die Ströme mehr Richtung KV-Praxen und niedergelassene Ärzte am nächsten Tag lenken.


    Bequemlichkeit muss teuer werden, dann muss man es sich zweimal überlegen.
    Meinem subjektiven Empfinden sind die wenigsten Patienten ängstlich, dass es etwas ernstes sein könnte. Es ist eher eine Mischung aus Hilflosigkeit, Bequemlichkeit und Anspruchsdenken (wie, der KV-Dienst kommt erst in 3 Stunden?!)

  • Es wäre doch völlig ausreichend, wenn die Leitstelle (...)


    Allerdings ist ja schon heute das Problem, dass viele genau Wissen, was sie am Telefon zusagen haben um einen RTW, gar sogar einen Notarzt für ihre Lappalien zu "erschleichen". Bei diesen Meldungen bleibt dann auch nichts anderes übrig als zu schicken, konsequent wäre ein Abgleich zwischen gemeldetem und tatsächlichem Befund und konsequenter -ggf. Kostenübernahme bei fehlender Indikation- Sanktionierung.

  • Zitat

    Auch eine Ambulanz-Pauschale für Notaufnahmen würde sicher für einige Entlastung sorgen und die Ströme mehr Richtung KV-Praxen und niedergelassene Ärzte am nächsten Tag lenken.


    Ich sag's nicht gerne, aber eine Notaufnahme-Pauschale bringt kaum etwas.

  • Jeder von uns wird Einsätze/Menschen in beliebiger Menge aufzählen können, die einen "Notrufmißbrauch" betreiben.
    Doch - wie hier schon gesagt wurde - WIR haben ihnen das beigebracht.


    Das Gegenteil durfte ich in den 70-er-Jahren noch erleben und im www. finden sich zahllose Filmchen damit (nicht aus -D-):
    eine Lehraussage aus dieser Zeit lautete nämlich:
    Behelfstransport ist Mord
    In dieser Zeit wurde nämlich "alles" selbst gefahren (hatte ich hier nicht einmal geschrieben, daß einer meiner geburtshilflichen Einsätze auf der Rückbank eines alten Ford direkt vor dem Klinikhaupteingang stattfand...)
    Aus diesem Grund unterscheidet eben Otto Normalbürger nicht zwischen einer Unterarmfrakkur, Vollsuff oder Herzinfarkt.


    Ins Auge fallen dem RD-Mitarbeiter "natürlich" besondere Klientelgruppen...
    Doch das Gros der Patienten ist nun einmal real hilfsbedürftig und in der Abwicklung des Ereignisses hilflos.


    Der nicht vorhandene politische Mut hat aber auch eine andere Seite:


    Die politisch gewollte ständige Mobilität - ohne die unser Staat ja angeblich zugrunde geht - hat Familien- und Nachbarschaftssysteme abgebaut.
    Dies waren und sind aber auch Hilfssysteme in sozialen/medizinischen Notlagen.
    Wenn etwas abgebaut wird, sucht sich der Mensch einen Ersatz (den er ja auch bezahlt mit seinen Beiträgen)


    Zum politischen Mut gehört es auch, die Mitverantwortlichkeit von Standes- bzw. Lobbygruppen zu benennen, also konkret der Ärzteschaft:
    es war die Ärzteschaft, die mit ihrem selbstverantwortlichen Tun die schlechten Vergütungen für Hausärzte, aber bspw. auch Pädiater ausgehandelt/zu verantworten hat.
    Da darf sich dann niemand wundern, wenn die Fachraztausbildung und Nierlassung auch unter finanziellen Gesichtspunkten erfolgt.
    Im Notfall (der hausärztlich behandelbar ist) nutzt aber weder Radiologe noch Labormediziner.


    1.
    Immer noch erfolgen zu viele Zulassungen in den hochverdienende Facharztgruppen.
    2.
    Der Generationenwandel wurde von den Ärzteverbänden schlicht verpennt - jetzt wundert man sich, warum kein Nachwuchs da ist.
    2a.
    Ebenso verpennt hat die Ärzteschaft den gesellschaftlichen Wandel, der es Frauen schwieriger macht, eine eigenständige Praxis zu betreiben.
    Erst langsam setzt sich diese Erkenntnis durch und die Rate von Ärztinnen, die angestellt in einer Praxis und/oder in Teilzeit arbeiten, wächst.
    3.
    Die Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer ärztl. Versorgung war den Verbänden über Jahrzehnten ja so etwas wie Kommunismus, Staatsmedizin a la DDR.
    In einer Zeit als die Landflucht schon lange kein Fremdwort und innovative Lösungen dringend notwendig waren, wurde das gescheut wie der Teufel das Weihwasser.
    4.
    "Ein Rettungsdienst ohne Arzt ist unvorstellbar" - auch diese Haltung war/ist mitverantwortlich.
    Die Ärzteschaft hat sich (von Ausnahmen abgesehen, welche die Realität erfasst haben) geweigert, dem Landarzt seinen 5-er-BMW mit Blaulicht zu nehmen.
    Damit wurde dann auch verhindert/verzögert , daß sich die RD-Berufsgruppe qualitativ steigern kann.
    4a.
    Es ist dann auch keine Ironie, sondern Realität, daß ärztliche Lobbyvertreter weiter als Heilige in den Vorständen von Hiorgs sitzen, die gleichzeitig RD betreiben.


    Werte Ärzteschaft: wenn ihr mit dem Finger auf andere zeigt, dann zeigen vier Finger Eurer Hand auf euch zurück.


    Edit:
    ich denke zu schnell und tippe deswegen oft mit Fehlern.
    Wer jetzt noch einen findet darf ihn behalten.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

    2 Mal editiert, zuletzt von raphael-wiesbaden ()

  • konsequent wäre ein Abgleich zwischen gemeldetem und tatsächlichem Befund und konsequenter -ggf. Kostenübernahme bei fehlender Indikation- Sanktionierung.

    Was allerdings auch organisatorischer Wahnsinn wäre! Und vor allem auch, wenn solche Abgleiche durch den "Kunden" angefechtet werden, weil er das anders sieht wie der RTW oder das Krankenhaus.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • dass falls dieser tatsächlich nicht dorthin kommt, er sich eben einen Transportschein für einen KTW organisiert und nicht den RTW nimmt.


    Hört sich Sinnig an, nur sind KTW Transporte gemäß meinem Wissen im voraus genehmigungspflichtig durch die Krankenkasse und damit gibt es diese Möglichkeit wenn nur sehr bedingt. Weitere Probleme bei dieser Lösung sind 1. die vielerorts fehlenden KTW und 2. die ggf. fehlende Möglichkeit zur Analgesie.
    Die Sinnhaftigkeit des Verweises an den (N-)KTW zweifel ich im übrigen nicht an, nur braucht es dafür auch einige Reformen.

    Der Autor fordert eben keine Praxisgebühr, sondern eine pauschale Gebühr für die Nutzung eines Notdienstes, die jedes mal fällig wird. Da hat der Patient Alternativen, nämlich am nächsten Werktag zu Öffnungszeiten zum Hausarzt zu gehen


    Hat der Patient diese Alternative wirklich und auch immer? Ich sage nein.
    Hat der Hausarzt am Ende des Quartals mal wieder 4-5 Tage am Stück zu, dann kann er nicht einfach am nächsten Tag dahin. Hat der Patient akute Schmerzzustände (Migräne; "Rücken";....), auch dann kann und wird er nicht unbedingt warten wollen / können. Ist der Patient im Urlaub und zig 100km von Zuhause weg, dann wird er auch nicht "einfach" am nächsten Tag zum Hausarzt können.
    Auch hier müsste man einiges in Bewegung setzen um den sicher richtigen Ansatz annähernd umsetzen zu können. Für mich gehört die Verpflichtung zur Aufnahme neuer Patienten in einem "Notstandsgebiet" genauso dazu, wie die Verpflichtung zum ggf. notwendigen Hausbesuch.

    Ich fände eine Selbstbeteiligung von 50? an den RTW-Kosten klasse.


    Auch eine Ambulanz-Pauschale für Notaufnahmen würde sicher für einige Entlastung sorgen und die Ströme mehr Richtung KV-Praxen und niedergelassene Ärzte am nächsten Tag lenken.


    Sowohl die Einführung dieser lehne ich, wie vor allem auch die Höhe.
    Mit einer entsprechender Gebühr schafft man vor allem mal wieder einen entsprechenden Verwaltungsaufwand und schreckt vor allem die ab, die wirklich krank sind.

    Meinetwegen inklusive Rückerstattung bei stationärer Aufnahme.


    Auch die Bindung an irgendeine "Klausel" zur Rückerstattung finde ich fragwürdig, da hier viel zu viele weiche Faktoren mit einspielen und es hier tlw. nicht wirklich objektiv zu geht. Auch die Stationäreaufnahme ist für mich nur ein weicher Faktor, da diese gerne auch mal vom sozialen Umfeld oder auch von der Belegung des Krankenhauses ab.


    Die von Harun angedachte Abgleichung zw. Meldung und dem was man vor Ort vorfindet versucht man mancher Orts schon, auch mit dem Ziel der Anpassung der Alarmierung bzw. der Lenkung von Patientenströmen. Das hierfür eingeführte Spielzeug nicht sich IVENA.
    Doof bei der Sache ist halt, dass sich Situationen tlw. sehr schnell ändern können und der Laie zum Eigennutz oder dank entsprechender "Bildung" auch gerne mal dramatisiert. Ein weiteres Problem davon ist, dass sich mancher Patientenzustand nur mangelhaft darstellen lässt und damit die Entsendung eines Rettungsmittels und der Transport rein zahlenbasiert nicht zu rechtfertigen sind.


    Aus meiner Sicht ernten wir jetzt das, was wir in verschiedenen Jahrzehnten gesät haben. Erst wurde propagiert nicht die Leute selbst ins Krankenhaus zu fahren, dann wurden die Leute für Herzinfarkt und Schlaganfall sensibilisiert und zum guten Schluss wurde aus der Grippe und dem Brechdurchfall das entsprechend tödliche Virus. Das, die immer weniger vorhanden soziale Bindung, der Ärztemangel und deren finanzielle Gedanken führen zu dem was wir gerade erleben. Solang wir diese Situation nicht in der Griff bekommen werden die Einsatzzahlen immer weiter steigen, auch die "Beteiligung" an entsprechenden Transport und oder Behandlungskosten wird daran nichts ändern.
    Erst wenn ein Hausbesuch für einen Arzt über die Bezahlung oder Strafen interessanter wird, wie ein Transport mit dem KTW/RTW, wird man hier Bewegung rein bekommen. Erst wenn nicht jedem Pflegeberuf beibringt wegen jedem Sturz eine Einweisung zu bewirken werden die Einsatzzahlen sinken und auch erst dann wenn nicht in der Tageszeitung oder Tagesschau immer über H1N1 und den tödlichen Norovirus berichtet wird.

  • Sei mir nicht böse, aber Regeln für Hausbesuche gibt es sehr wohl. Und diese werden ggf. auch erheblich sanktioniert. Allerdings gehört die einfache Lumbischalgie nicht zu den Indikationen für einen dringenden Hausbesuch. Sie ist auch weder etwas für die Notaufnahme noch für den Rettungsdienst und wenn der Hausarzt fünf Tage zu hat, gibt es eine Vertretung. Regelhaft ist die Analgesie der Wahl hier Ibuprofen, welches frei verkäuflich ist und ehrlich gesagt jeder im Haus haben sollte, der es verträgt - oder eine vergleichbare Alternative. Ist dies nicht der Fall gibt es Notdienstapotheken. Ich lese aus deinem Text schlicht, dass du das Anspruchsdenken der Patienten unterstützt und gut findest. Deswegen kann ich ganz gut damit leben, wenn wir nicht derselben Meinung sind. Anzumerken ist, dass ich selbst schon wiederholt schmerzhafte Blockaden im WS Bereich hatte und durchaus genau weiß wovon ich Rede. Das geht tatsächlich ohne RTW, BTM Analgesie vor Ort usw, auch wenn selbst fahren nicht mehr möglich ist. Inzwischen habe ich allerdings den Vorteil, dass ich gelernt habe suffizient einzurenken.


    Ich bin übrigens für eine pauschale Gebühr ohne Rückerstattung, wenn man dieses Instrument nutzen will. (Ich bin in der Sache wie bereits erwähnt ambivalent.) Allerdings mit den üblichen Möglichkeiten zur Zuzahlungsbefreiung wie bei Arzneimitteln. Es ist völlig normal, dass ich einem Handwerker außerhalb regulärer Sprechzeiten eine Notdienstgebühr zahle, ebenso bei Apotheken. Ich halte es nicht für grundsätzlich verwerflich, wenn man das für medizinische Notdienste einführen würde. Man muss am Ende allerdings sicherstellen, dass man nicht zuviele reale Notfälle filtert und meiner Meinung nach stünden zunächst mildere Mittel zur Verfügung. Dazu gehören die rechtlichen Rahmenbedingungen, die im Artikel ebenfalls angesprochen werden. Wenn Patienten schlicht unverrichteter Dinge zum KV Dienst geschickt werden könnten, erwarte ich einen weitaus höheren Effekt. Aber das ist am Ende Kaffeesatzleserei. Dennoch wäre ich für eine langsame Eskalation der Maßnahmen. Generell wäre jeder Kursänderung weg von der Defensivmedizin ein großer Schritt vorwärts für unser System.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Allerdings gehört die einfache Lumbischalgie nicht zu den Indikationen für einen dringenden Hausbesuch.


    Es geht auch darum, dass der Patient mit Lumbischalgie wieder zum Hausarzt geht,...


    Nur, weil du das jetzt schon zum zweiten Mal binnen kürzerer Zeit so schreibst: Ich kenne das ja nur als "Lumboischialgie".
    :hi:

  • Diejenigen, die eine RTW Gebühr einführen möchten:
    Wie stellt man sicher, dass sozialschwache Mitglieder der Gesellschaft einen RTW rufen, wenn ein RTW gebraucht wird?
    Wie ist das, wenn die Öffentlichkeit einen RTW ruft für jemand anderes (Obdachlose, Betrunkene, Verkehrsunfall wo Beteiligte keinen Notruf getätigt hätten)?

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Das mit der RTW Gebühr haben wir quasi in der Schweiz
    Ein Einsatz kostet zwischem 400 und 800 CHF, die Kasse zahlt einmalig 500 CHF bei medizinischen Notfällen, bei Unfällen läuft es nochmals anders.
    Ich kenne zu gut Fälle aus unsere ZNA die Fragen, wenn sie in die Uni verlegt werden "muss ich das Zahlen?" Zum Glück übernimmt die abgebende ZNA dieses



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    Ich habe einen ganz einfachen Geschmack - ich bin stets mit dem Besten zufrieden.
    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller, 1854 - 1900


    Ich prüfe jedes Angebot. Es könnte das Angebot meines Lebens sein.
    Henry Ford 1863 - 1947

  • Ich möchte nur kurz einwerfen, dass Patienten ja auch heute schon Zuzahlungen zu Notfalltransporten leisten müssen. Wir mussten selber 10 € zuzahlen. Das ist natürlich noch nicht wirklich ein Hemmnis, aber damit ist der Rettungsdienst heute schon nicht komplett kostenfrei für die Kundschaft.

  • Es wird sich nichts ändern:
    Ein heute bestehendes System - vorgestern geschaffen, entwickelt von Leuten von vorvorgestern - versucht man mit gestrigen Ideen ins morgen zu retten.

  • Zuzahlungen -egal welche- als pädagogische Maßnahme bringen NICHTS - ausser Verwaltungsaufwand.


    Die Zuzahlungen bei einem KH-Aufenthalt (10€ tgl./max. 14 tg. jährlich) führten bisher zu keiner Reduzierung von KH-Aufnahmen.
    Die Zuzahlungen beim niedergelassenen Arzt führten nur zum Ärger (bei Patienten und Praxispersonal) und wurde deswegen (und auch wg. des Drucks der Ärztelobby) wieder abgeschafft.


    Die Zuzahlungen bei Medikamenten führen bisweilen zu abenteuerlichen Dingen. Sehr viele Kostenträger verbuchen durchaus Mehreinnahmen dadurch.
    Bsp. Ich persönlich nehme tgl. mein ASS.
    Zuzahlen muß ich - wie üblich- 5 €. Die Packung kostet aber "zufällig" 5,03" €.
    Mache ich jetzt Papierkrieg mit meiner Kasse oder zahle ich gleich alles selbst ?-(
    Die Antwort kann sich jeder ausrechnen und sich dann den durchschnittlich veranlagten Patienten dazu denken.


    Securo hat sehr recht mit seinem Beitrag.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Zuzahlungen -egal welche- als pädagogische Maßnahme bringen NICHTS - ausser Verwaltungsaufwand.


    Davon bin ich nicht überzeugt.


    Die Zuzahlungen bei einem KH-Aufenthalt (10€ tgl./max. 14 tg. jährlich) führten bisher zu keiner Reduzierung von KH-Aufnahmen.
    Die Zuzahlungen beim niedergelassenen Arzt führten nur zum Ärger (bei Patienten und Praxispersonal) und wurde deswegen (und auch wg. des Drucks der Ärztelobby) wieder abgeschafft.


    Rein symbolische Zahlungen von 10,- € (oder gar 10,- € alle drei Monate!) haben natürlich keine Lenkungswirkung.


    (Und haben sich - es sei dahingestellt, ob zum Guten oder zum Schlechten - denn die Aufenthaltsdauern im Krankenhaus nicht verringert mit der Umstellung von der Zahlung eines täglichen Pflegesatzes auf DRGs?)


    Die Zuzahlungen bei Medikamenten führen bisweilen zu abenteuerlichen Dingen. Sehr viele Kostenträger verbuchen durchaus Mehreinnahmen dadurch.
    Bsp. Ich persönlich nehme tgl. mein ASS.
    Zuzahlen muß ich - wie üblich- 5 €. Die Packung kostet aber "zufällig" 5,03" €.
    Mache ich jetzt Papierkrieg mit meiner Kasse oder zahle ich gleich alles selbst ?-(


    Das verstehe ich nicht - welchen Papierkrieg? Du reichst das Rezept bei der Apotheke ein, die nimmt Dir die 5,- € Zuzahlung ab und rechnet das Rezept dann mit der KK ab. Wo ist da für Dich "Papierkrieg"?


    -thh

  • Das mit der RTW Gebühr haben wir quasi in der Schweiz
    Ein Einsatz kostet zwischem 400 und 800 CHF, die Kasse zahlt einmalig 500 CHF bei medizinischen Notfällen, bei Unfällen läuft es nochmals anders.
    Ich kenne zu gut Fälle aus unsere ZNA die Fragen, wenn sie in die Uni verlegt werden "muss ich das Zahlen?" Zum Glück übernimmt die abgebende ZNA dieses



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    Bin nun neugierig: Die Kasse bezahlt einmalig 500 CHF - für welchen Zeitraum? Für einen Einsatz? Im Jahr? Wie verhält sich das bei chronisch kranken Patienten, die öfters, auch mal schnell, Hilfe benötigen?

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.