Bayern will Notfallsanitätern rechtssicheres Handeln ermöglichen

  • „Umgekehrt kannst du genau so schnell vor Gericht landen, wenn du eine indizierte Maßnahme unterlässt, bis der NA vor Ort ist“


    [...]


    Weil zu meiner Zeit in D ist man halt deutlich einfacher damit gefahren, auf dem geschlossenen Notfallkoffer bis zum Eintreffen des NA sitzen zu bleiben, als zur sog. Notkompetenz o.ä. zu greifen

    In den meisten Fällen klappt das auch noch recht gut... darf halt nur nix schiefgehen. Das "Problem" ist ja, dass mit dem 2a ja nicht nur Rechte sondern auch Pflichten entstanden sind. Konnte man sich vor der Gesetzesänderung trotz Garantenstellung noch auf eine Pflichtenkollision (Beschützergarant vs. unerlaubte Ausübung der Heilkunde) berufen, lebt die Handlungspflicht ja durch den Erlaubnistatbestand aus dem §2a und der damit verbundenen Auflösung o g. Pflichtenkollision auf. Insofern muss ich Hilope hier recht geben.

  • In den meisten Fällen klappt das auch noch recht gut... darf halt nur nix schiefgehen. Das "Problem" ist ja, dass mit dem 2a ja nicht nur Rechte sondern auch Pflichten entstanden sind. Konnte man sich vor der Gesetzesänderung trotz Garantenstellung noch auf eine Pflichtenkollision (Beschützergarant vs. unerlaubte Ausübung der Heilkunde) berufen, lebt die Handlungspflicht ja durch den Erlaubnistatbestand aus dem §2a und der damit verbundenen Auflösung o g. Pflichtenkollision auf. Insofern muss ich Hilope hier recht geben.

    Die spannende Frage ist ja: Hat sich durch die Einführung des § 2a NotSanG irgendwas relevant gegenüber der Anwendung des § 34 StGB geändert? Klar, eine Erlaubnis ist "schöner" als eine Rechtfertigung. Durch die Begrenzung auf die Lebensgefahr bzw. schwerwiegende Schäden und recht explizite Ausklammerung der Analgesie (In meinen Bereich m.E. die häufigste Medikamentengabe durch NotSan, im Rahmen einer Vorabdelegation), dürfte sich im praktischen Handeln wenig geändert haben. Außer beim Unterlassen der Maßnahme, jetzt muss der NotSan. So zumindest meine juristische Laienmeinung.

  • Naja, auf deren Behandlung zielt ja auch die Ausbildung ab...

    Schwerpunktmäßig auf jeden Fall. Aber auch:


    Zitat

    NotSanG § 4 Ausbildungsziel


    (2) Die Ausbildung nach Absatz 1 soll insbesondere dazu befähigen,

    1.die folgenden Aufgaben eigenverantwortlich auszuführen:

    e)Herstellen und Sichern der Transportfähigkeit der Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz,


    Der Patient mit einer Schenkelhalsfraktur mit NRS 8/10 ist in diesem Zustand nicht transportfähig und bedarf hierzu einer Analgesie - dies lernt der NotSan in seiner Ausbildung ebenso.

  • Weder bei der Durchführung von Massnahmen, noch beim Unterlassen wird es im Normalfall eine Klage durch Patienten oder Angehörige geben (von Ausnahmen abgesehen). Probleme im Alltag gibt es ja eben meistens durch die Kontrolle durch die ÄLRD. Und daher eben die Frage, ob über das „Nichtstun“ weiter grosszügig hinweggesehen wird („dann macht der Sani schonmal nix was er nicht darf“) im Verhältnis zu Stellungnahmen wegen irgendwelcher Massnahmen („das darf der doch gar nicht“).

    Daher auch der Vergleich zur Notkompetenz, weil sich in der Einstellung der ÄLRD und Vorgesetzten (im Gegensatz zur Gesetzeslage) da in manchen Bereichen glaube ich nicht viel geändert hat.

  • Eine solche Überprüfung sieht §2a aber nicht vor.

    Es ist aber selbstverständlich dem Arbeitgeber und der Aufsichtsbehörde unbenommen, das zu überprüfen. Es liegt ja im allgemeinen und auch im öffentlichen Interesse - und in gewisser Weise auch in dem des Mitarbeiters selbst -, dass ggf. überprüft wird, ob die Maßnahmen tatsächlich beherrscht werden.

  • Allerdings heißt es in der Begründung zur Gesetzesänderung, dass das Beherrschen der Maßnahme in der Regel mit dem Ablegen der staatlichen Prüfung nachgewiesen wurde. Mit welchem Recht wird ausgerechnet unserer Berufsgruppen unterstellt, ihren Beruf nicht richtig ausüben zu können bzw. diesen zu verlernen. Wie üblich ist das in anderen Berufsgruppen? Wie oft werden Pflegefachkräfte, Ärzte, MFAs oder Ähnliches überprüft?

  • ob die Maßnahmen tatsächlich beherrscht werden.

    Welche denn konkret?


    Dafür müsste ja mein AG eine Abfrage tätigen, welche Maßnahmen ich meine zu beherrschen, dann eine Überprüfung dieser Maßnahmen konzipieren und dann durchführen. Und wie oft sollte das dann erfolgen, in welchem Turnus?

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Allerdings heißt es in der Begründung zur Gesetzesänderung, dass das Beherrschen der Maßnahme in der Regel mit dem Ablegen der staatlichen Prüfung nachgewiesen wurde. Mit welchem Recht wird ausgerechnet unserer Berufsgruppen unterstellt, ihren Beruf nicht richtig ausüben zu können bzw. diesen zu verlernen. Wie üblich ist das in anderen Berufsgruppen? Wie oft werden Pflegefachkräfte, Ärzte, MFAs oder Ähnliches überprüft?

    Ich denke nicht, dass unterstellt wird, etwas nicht zu können, sondern ob bestimmte Maßnahmen nach den Regeln der Kunst ausgeführt werden. Auch in anderen Bereichen gibt es Qualifikationen, die nur begrenzt gültig sind und rezertifiziert werden müssen (in der Pflege bspw. Wundmanager oder bei den Kardiotechnikern).

  • Ich denke nicht, dass unterstellt wird, etwas nicht zu können, sondern ob bestimmte Maßnahmen nach den Regeln der Kunst ausgeführt werden.

    Für mich ist das das Gleiche... entweder ich kann eine Maßnahme richtig (durchführen), sprich nach den Regeln der Kunst oder eben nicht. Dass ich sie kann habe ich aber in der Prüfung bewiesen. Und daran sollte eigentlich erstmal nicht gezweifelt werden (in einer perfekten, dem NotSan sehr zugetanen, rosaroten Blümchenwelt).

  • Auch in anderen Bereichen gibt es Qualifikationen, die nur begrenzt gültig sind und rezertifiziert werden müssen (in der Pflege bspw. Wundmanager oder bei den Kardiotechnikern).

    Spannend, das wusste ich nicht. Aber wenn du Wundmanager bist, bist du ja in erster Linie trotzdem Pflegefachkraft. Das Wundmanagment, wie es ein Wundmanager betreibt, ist nicht essentieller Bestandteil deines gelernten Berufs (behaupte ich jetzt einfach mal so... hoffentlich vertue ich mich da nicht.)

    Die Maßnahmen die unter den §2a subsumiert werden können sind aber essentieller Bestandteil meiner Ausbildung und meines Berufes. Das möchte ich nicht regelmäßig erneut unter Beweis stellen müssen und auch nicht turnusmäßig abgesprochen bekommen.

  • Es ist aber selbstverständlich dem Arbeitgeber und der Aufsichtsbehörde unbenommen, das zu überprüfen.

    Solange Kompetenzen im Ausbildungscurriulum aufgeführt werden und eine Prüfung diese bescheinigt, halte ich es über den §2a nur für sehr schwer begründbar, inwiefern eine erneute Überprüfung statthaft ist. Ob ein AG außerhalb eines Bewerbungs- und Einstellungsprozesses Mitarbeiter anlasslos und ohne Einbeziehung eines Betriebsrates examinieren darf, kann ich nicht sagen, würde es aber sehr stark bezweifeln. Dass dies einer Aufsichtsbehörde erlaubt sei, halte ich für ausgeschlossen. Ich kann hier keine Rechtsgrundlage erkennen.

  • Ich denke nicht, dass unterstellt wird, etwas nicht zu können, sondern ob bestimmte Maßnahmen nach den Regeln der Kunst ausgeführt werden. Auch in anderen Bereichen gibt es Qualifikationen, die nur begrenzt gültig sind und rezertifiziert werden müssen (in der Pflege bspw. Wundmanager oder bei den Kardiotechnikern).

    Das ist aber etwas grundlegend anderes, wenn (zusätzliche) Qualifikationen eine Rezertifizierung vorsehen. Mir wäre kein Passus in der NFS-Ausbildungsverordnung oder im NFS-Gesetz bekannt, die eine solche erneuten Überprüfungen für die eigentliche Berufsausbildung vorsehen. Zumindest nicht für die Tätigkeiten, die ein NFS eigenverantwortlich ausführt.

  • Das ist aber etwas grundlegend anderes, wenn (zusätzliche) Qualifikationen eine Rezertifizierung vorsehen. Mir wäre kein Passus in der NFS-Ausbildungsverordnung oder im NFS-Gesetz bekannt, die eine solche erneuten Überprüfungen für die eigentliche Berufsausbildung vorsehen. Zumindest nicht für die Tätigkeiten, die ein NFS eigenverantwortlich ausführt.

    Ich kenne auch nur den Umweg über die Fortbildungspflicht (sofern sie denn vorhanden ist). Da wird bei uns theoretisch der gesamte Maßnahmenkatalog überprüft, wobei ein Durchfallen bisher noch keine (mir bekannten Konsequenzen) nach sich gezogen hat.

    Do your job right – Treat people right – Give all out effort – Have an all in attitude.

    ~ Mark vonAppen

  • Wenn ich aus meiner Luftfahrtbrille auf das Thema schaue, finde ich es total sinnvoll und auch wichtig, dass Wissen für erweiterte Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen.

    Ich muss einmal im Jahr einen Theorietest sowohl über allgemeine Flugsicherungsverfahren, als auch über spezielle Verfahren innerhalb meines Zulassungsbereiches schreiben, sowie eine mehrstündige praktische Beobachten durchführen. Dabei werde ich einen Tag durch einen Assessor begleitet und er schaut mir bei der Arbeit über die Schulter.


    Natürlich haben wir parallel auch Fortbildungen, Notfalltrainings, usw.


    Ich weiß nicht, wie das so im Rettungsdienst bei ärztlichem und nicht ärztlichem Personal gelebt wird, aber ich finde es eine sinnvolle Praxis, das theoretische und praktische Wissen regelmäßig zu überprüfen - abseits der Fortbildungsstunden, die man ableisten muss.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • [...]

    Ich weiß nicht, wie das so im Rettungsdienst bei ärztlichem und nicht ärztlichem Personal gelebt wird, aber ich finde es eine sinnvolle Praxis, das theoretische und praktische Wissen regelmäßig zu überprüfen - abseits der Fortbildungsstunden, die man ableisten muss.

    Ich stimme 100% zu.


    Dennoch: Dieses Vorgehen hat natürlich diverse weitere Aspekte, z. B.:


    Was passiert mit dem Mitarbeiter, der diese "Fortbildung" (wiederholt) nicht besteht. Die einfache Lösung "alle bestehen lassen" liegt auf der Hand, ist dann aber total kontraproduktiv zu einem gewünschten Qualitätsmanagement. Wenn das "Nicht-Bestehen" hingegen folgenlos ist, fragt sich irgendwann der bestehende Teil der Belegschaft, warum sie sich Mühe geben. Repressiv vorgehen ("Degradierung", Versetzung, Kündigung) mag in nachhaltigen (unwilligen?) Einzelfällen eine Möglichkeit sein, bringt aber sicher Unruhe in den Laden.


    Und damit habe ich das große arbeitsrechtliche Fass um das Thema noch gar nicht aufgemacht: Mitbestimmung des Betriebsrats, prüfungsrechtliche Sicherheit dieser Zertifizierungen, denn daran hängen letztlich die entsprechenden arbeitsrechtlichen Maßnahmen.


    Und wenn man dabei ist, könnte man es auch berufspolitisch andenken: Will ich eine fortlaufende, wiederholte Überprüfung durch einen Nicht-Berufsangehörigen (i. d. R. ja ÄLRD) die unter Umständen über erhebliche Aspekte meiner beruflichen Karriere entscheidet?


    Fragen über Fragen, und ich habe nur für einen Teil Antworten...

  • Man muss an der Stelle auch beachten, dass die ÄLRD in BY NICHT Teil des Arbeitgebers und seines Fortbildungskonzeptes sind sondern komplett von diesen losgelöst agieren.

    Die Berufung ist in keinster Weise mit den Leistungserbringern abgestimmt und in mind. einem Fall gegen den ausdrücklichen Wunsch aller Leistungsbringer erfolgt.

  • Wenn ich als Badenser das lese, haben wir ev Glück wenn die Ärztlichen Verantwortlichen alles SAA's als Vorabdelegation freigeben. Zumindest stellt sich mein Arbeitgeber das so vor.

    Allerdings hat unser und unser Nachbarbereich deutliche Probleme Ärzte zu finden, sie sich so einen Job überhaupt vorstellen können.

    Das scheint in Bayern anscheinend kein Thema zu sein. Und der Bedarf für ein flächendeckendes Tele NA System ist da noch gar nicht mit berücksichtigt.

    Liegt das an der besonderen rechtlichen Haftung in Ba-Wü oder gibt es in Bayern einfach viel mehr Ärzte pro 100 000 Einwohner?

  • Für mich ist das das Gleiche... entweder ich kann eine Maßnahme richtig (durchführen), sprich nach den Regeln der Kunst oder eben nicht. Dass ich sie kann habe ich aber in der Prüfung bewiesen.

    Die praktische Durchführung aller in Betracht kommenden Maßnahmen ist Bestandteil der Prüfung? Erstaunlich. Das muss ja eine sehr lange Prüfung sein, schon um ausreichend Patienten zur Verfügung zu haben ...


  • Naja, Rettungsdienst bzw. Notfallsanitäter ist eben ein Beruf, in dem man sehr viel Verantwortung trägt und es um Menschenleben geht. Wenn jemand durch mehrfaches Durchfallen zeigt, dass er das nötige Know-How nicht mitbringt, ist er nicht mehr als Notfallsanitäter einzusetzen. Selbstverständlich muss ein AG gleichzeitig dem AN die Möglichkeit, seine Defizite auszugleichen.


    Wenn ich als Fluglotse ständig durch die Theorieprüfung falle, weil ich meine Absprachen und Sektoren nicht kenne, dann habe ich vorm Radar auch nichts verloren. Wenn sich bei der Beobachtung ergibt, dass ich unsicher arbeite und deutliche Defizite habe, dann erhalte ich ein Retraining, also eine verkürzte "Ausbildung" mit Ausbildungsplan, etc. Das kommt ab und zu mal vor wenn KollegInnen immer wieder in Elternzeit gehen und zwischen den Schwangerschaften nur kurz arbeiten.


    Das ist dann aber keine disziplinarische Maßnahme, sondern völlig normal und auch in Ordnung so. Da gibt es auch erstmal keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen (oder reduziertes Gehalt), sondern eben ein Training.


    Wenn ich jetzt z.B. feststelle dass ein Kollege zwar auf dem Papier Notfallsani ist, aber eben die ganzen SOPs, Medis, etc. nicht drauf hat, dann setze ich die Person eventuell erstmal nur als RS ein und biete im entsprechende Aus - und Fortbildung an. Das kann ja nach längerer Abwesenheit durchaus mal sein.


    Es darf aber kein Bestrafungssystem, sondern ein Qualitätssicherungssystem sein. Wenn ich als AN keine Sorge haben muss, bei Defiziten meinen Job zu verlieren, sondern umgekehrt mir Geholfen wird, wieder auf das alte Niveau zu kommen, dann bin ich selber auch eher geneigt zu sagen: Hey, ich traue mir das gerade noch nicht zu, ich brauche noch etwas und würde solange lieber als RS eingesetzt werden. Und das muss insgesamt auch als Kultur an der Rettungswache so gelebt werden. Unangenehm ist das natürlich immer für den Betroffenen. Wenn aber das Umfeld signalisiert: Hey, kein Problem. Wir zeigen es dir, bis du es verstanden hast, dafür sind wir da ... dann läuft das :-)

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers