DBRD Stellungnahme zu BTMG & BTMVV

  • Ggü. wem sollte das begründet werden?

    Dem Gericht, wenn Aufforderung zur unterlassenen Hilfeleistung u.a. in Tateinhergang mit Patientenschädigung bis Totschlag im Raum steht. Bislang allerdings eine fiktive Konstellation, denn solche Verfügungen gibt es schon lange, mir ist aber noch kein Fall vor Gericht zur Kenntnis gelangt.

  • Dem Gericht, wenn Aufforderung zur unterlassenen Hilfeleistung u.a. in Tateinhergang mit Patientenschädigung bis Totschlag im Raum steht. Bislang allerdings eine fiktive Konstellation, denn solche Verfügungen gibt es schon lange, mir ist aber noch kein Fall vor Gericht zur Kenntnis gelangt.

    Leider lehnt sich weder ein NotSan auf, noch ermittelt irgendwer, wenn durch Unterlassen ein Schaden entstand. Und es gibt nun mal keine Kontrollinstanz für das Handeln der ÄLRD jenseits dieser Konstellationen. Noch. Das könnte sich durchaus ändern.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Ich habe an meiner ehemaligen Wache mal nachgefragt. Grundsätzlich begrüßt man das Gesetz. Derzeit dürfen die NFS ohne anwesenden Notarzt eigenständig Esketamin (in Kombination mit Midazolam) geben, jedoch wird das gerade bei älteren Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen kritisch gesehen. Hier stellt z.B. Fentanyl eine deutlich bessere Alternative dar, zumal es bei Problemen schnell mittels Naloxon "unschädlich" gemacht werden kann.


    Auch wenn Esketamin ohne Notarzt gegeben werden darf, so muss in jedem Fall ein Notarztruf erfolgen. Nur in wenigen Ausnahmen (zu lange Wartezeit auf externen Notarzt) darf es auch ohne alarmierten Notarzt gegeben bzw. transportiert werden. Man geht davon aus, dass das bei der Gabe von Opiaten auch so sein wird, hofft aber, nach einer (sicherlich Jahre dauernden) Bewährung die NA Alarmierung irgendwann wegfällt.


    So hätte nicht nur der Patient den Vorteil einer schnelleren Analgesie, sondern die Notarztalarmierung würden zurück gehen.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

    Einmal editiert, zuletzt von Hauke ()

  • Auch wenn Esketamin ohne Notarzt gegen werden darf, so muss in jedem Fall ein Notarztruf erfolgen.

    Glückwunsch. Das nannte sich früher Rettungsassistent.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Bei uns gab es gestern Info: Fentanyl wird in die SOP „Medikamentöse Analgesie“ (neben Paracetamol, Buscopan, Esketamin und Nalbuphin) aufgenommen, die Online-Schulungen starten zeitnah.

    Die erste Version der neuen SOP ist für den Dienstgebrauch rumgeschickt worden.


    Ab VAS >= 4 Paracetamol i. v. (bei kolikartigen Schmerzen zusätzlich 20mg Buscopan), ab VAS >= 6 Fentanyl in 0,05mg Schritten titriert bis maximal 0,2mg. Wenn dann keine ausreichende Analgesie erreicht wurde, kann 0,125mg/kgKG Esketamin (mit Midazolam bei Bedarf) appliziert werden. Nachforderung ausschließlich bei kritischen ABC-Problemen (ein passagerer Abfall der SpO2 oder eine vorübergehende notwendige Kommandoatmung zählen nicht dazu) oder unzureichender Analgesie. Damit kann man sehr zufrieden sein.

  • Da kann man schon fast sagen, mehr macht der Chirurg auf der Straße auch nicht. Wenn überhaupt! ;-)


    Das hört sich sogar nach einem fast schlüssigen Konzept an.

  • Glückwunsch. Das nannte sich früher Rettungsassistent.

    Ich finde es auch Unsinn, aber so ist es hier leider. Offensichtlich hat sich in den Jahren nach meinem Weggang nicht viel geändert.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Hier eskalierend: 1) Paracetamol, 2) Nalbuphin und 3) Esketamin. Am Anfang war der Einsatz zögerlich (war halt neu), mittlerweile aber gut angenommen und regelmäßig eingesetzt. Anfangs gab es vermehrt Probleme mit den Krankenhäusern (Nalbuphin vs. andere Opiate), so das es Diskussionen in den Krankenhäusern gab. Laut einer Fortbildung vor einigen Monaten haben hier die beiden ÄLRD interveniert und Aufklärungsleistungen erbracht. Auch hat man mittlerweile Erfahrungen mit anderen Opiaten (Fentanyl), die nach einer Gabe von Nalbuphin erfolgten. Laut Aussage der ÄLRD sind die Erfahrungen da gut. Die Diskussionen ebbten dann ab. Mittlerweile sagt keiner mehr was in den Notaufnahmen.


    Notärzte berichten hier, dass die Nachforderungen zur Analgesie sehr stark abgenommen haben. Einer konnte sich in den letzten Monaten an nicht eine Nachforderung erinnern.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Die erste Version der neuen SOP ist für den Dienstgebrauch rumgeschickt worden.


    Ab VAS >= 4 Paracetamol i. v. (bei kolikartigen Schmerzen zusätzlich 20mg Buscopan), ab VAS >= 6 Fentanyl in 0,05mg Schritten titriert bis maximal 0,2mg. Wenn dann keine ausreichende Analgesie erreicht wurde, kann 0,125mg/kgKG Esketamin (mit Midazolam bei Bedarf) appliziert werden. Nachforderung ausschließlich bei kritischen ABC-Problemen (ein passagerer Abfall der SpO2 oder eine vorübergehende notwendige Kommandoatmung zählen nicht dazu) oder unzureichender Analgesie. Damit kann man sehr zufrieden sein.

    Mir ist allerdings nicht ganz klar, in welchen Fällen nach diesen SOP das Eintreffen eines Arztes nicht abgewartet (!) werden kann. Die Möglichkeit eines generellen Verzichts auf die Anforderung eines Arztes, auch wenn dieser rechtzeitig eintreffen könnte (insbesondere bei Mitalarmierung bei entspsrechenden Stichwort), kann ich § 13 Abs. 1b BtMG nicht entnehmen (vgl. die ausdrückliche Anforderung in § 13 Abs. 1b S. 2 Nr. 3 BtMG).

  • In den kommenden Wochen finden noch Veranstaltungen zur weiteren Erklärung der SOP und der geplanten Vorgehensweise statt. Da sollten diese Fragen nochmal abschließend geklärt werden; klar ist aber schon, dass bei VAS >= 6 unverzüglich Fentanyl appliziert werden muss, auch wenn der NA schon auf Anfahrt ist.

  • [Fentanyl] zumal es bei Problemen schnell mittels Naloxon "unschädlich" gemacht werden kann.

    Diese Denkweise halte ich für gefährlich.
    Naloxon hilft weder, wenn ich durch zu forsche Fentanylgabe den Blutdruck bis zur Reanimationspflichtigkeit in den Keller gespritzt habe noch wenn der Patient nach opiatbedingter Asphyxie aufgrund Hyperkapnie in der CO2-Narkose ist noch wenn er erbrochen und aspiriert hat.

    Außerdem habe ich nach Antagnoisierung wieder das Ausgangsproblem: Einen schmerzgeplagten Patienten, der zudem nun nicht mehr gut auf Opiate anspricht.

    Nota bene: Ich habe alles schon erlebt - allerdings bei Notärzten. Insofern ist mein Einwurf keinesfalls als Argument gegen Opiatgaben bei NotSan zu werten. Sondern lediglich als Reminder, dass Komplikationen trotz Naloxon antizipiert und beherrscht werden müssen.

  • Wie verhält sich das denn genau mit Nalbuphin und anderen Opiaten in praxi? Was beobachtet man tatsächlich?

    meiner bisherigen Erfahrung nach völlig problemlos. Meist hat Nalbuphin tatsächlich gereicht (weil halt auch i.d.R. nur bei mittelstarken Schmerz eingesetzt) und bei Kombination mit z.B. Fenta hatte ich nicht den Eindruck, dass die Wirkung schwächer wäre.
    Da habe ich schon mehr Probleme bei Fenta auf Morphin gesehen (weil man ja unbedingt beim Trauma Schmerz NRS 10 erst Morphin spritzen wollte und bei bescheidenem Erfolg dann schliesslich doch zu Fenta gegriffen hat…und sich dann gewundert hat, dass der Pat. in der Notaufnahmen nicht mehr atmen wollte X().

  • Diese Denkweise halte ich für gefährlich.
    Naloxon hilft weder, wenn ich durch zu forsche Fentanylgabe den Blutdruck bis zur Reanimationspflichtigkeit in den Keller gespritzt habe noch wenn der Patient nach opiatbedingter Asphyxie aufgrund Hyperkapnie in der CO2-Narkose ist noch wenn er erbrochen und aspiriert hat.

    Außerdem habe ich nach Antagnoisierung wieder das Ausgangsproblem: Einen schmerzgeplagten Patienten, der zudem nun nicht mehr gut auf Opiate anspricht.

    Nota bene: Ich habe alles schon erlebt - allerdings bei Notärzten. Insofern ist mein Einwurf keinesfalls als Argument gegen Opiatgaben bei NotSan zu werten. Sondern lediglich als Reminder, dass Komplikationen trotz Naloxon antizipiert und beherrscht werden müssen.

    in der Anästhesie nimmt man bei (vermutetem) Fenta-Überhang ja gern mal Nalbuphin zum Antagonisieren. Wäre evtl. auch eine Überlegung wert. Weil in der Richtung scheint es ja doch recht gut zu funktionieren.

    Aber ja, wie bei allen Massnahmen sollte man primär mal Nebenwirkungen durch geschickte Anwendung vermeiden (da ist man ja mit den 50 mcg Schritten meist auf der sicheren Seite) und die NW antizipieren und rechtzeitig darauf reagieren. Meist reicht bei Opiaten ja schon eine Aufforderung zum Atmen.
    Bei mittlerweile rund 1000 Analgesien, die wir die letzten Jahre untersucht haben, gab es nicht eine lebensbedrohliche Komplikation (und da werden die Medis tatsächlich wild kombiniert teilweise ;)).

  • Wie verhält sich das denn genau mit Nalbuphin und anderen Opiaten in praxi? Was beobachtet man tatsächlich?

    meiner bisherigen Erfahrung nach völlig problemlos. Meist hat Nalbuphin tatsächlich gereicht (weil halt auch i.d.R. nur bei mittelstarken Schmerz eingesetzt) und bei Kombination mit z.B. Fenta hatte ich nicht den Eindruck, dass die Wirkung schwächer wäre.
    Da habe ich schon mehr Probleme bei Fenta auf Morphin gesehen (weil man ja unbedingt beim Trauma Schmerz NRS 10 erst Morphin spritzen wollte und bei bescheidenem Erfolg dann schliesslich doch zu Fenta gegriffen hat…und sich dann gewundert hat, dass der Pat. in der Notaufnahmen nicht mehr atmen wollte X().

    Die Diskussionen in den Notaufnahmen ging inhaltlich immer darum, dass durch die Nalbuphingabe die Möglichkeit zur Gabe anderer Opiatagonisten, wie Fentanyl oder Morphin, genommen wurde und die gleichzeitige Gabe den analgetischen Effekt mindern würden. Laut der Fortbildung im Mai, wo die beiden ÄLRD berichteten, ist dieses wohl nicht so. Die Erfahrungen zeigen wohl, dass die gleichzeitige Gabe von Fentanyl (oder eben kurze Zeit später) mit gleicher Dosierung problemlos war. Ich kann leider keine Zahlen liefern. Aber das passt zu der Aussage von Blodwyn76. Vielleicht kann ein Anästhesist hier dazu mehr sagen? Hilope vielleicht?

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Diese Denkweise halte ich für gefährlich.
    Naloxon hilft weder, wenn ich durch zu forsche Fentanylgabe den Blutdruck bis zur Reanimationspflichtigkeit in den Keller gespritzt habe noch wenn der Patient nach opiatbedingter Asphyxie aufgrund Hyperkapnie in der CO2-Narkose ist noch wenn er erbrochen und aspiriert hat.

    Außerdem habe ich nach Antagnoisierung wieder das Ausgangsproblem: Einen schmerzgeplagten Patienten, der zudem nun nicht mehr gut auf Opiate anspricht.

    Nota bene: Ich habe alles schon erlebt - allerdings bei Notärzten. Insofern ist mein Einwurf keinesfalls als Argument gegen Opiatgaben bei NotSan zu werten. Sondern lediglich als Reminder, dass Komplikationen trotz Naloxon antizipiert und beherrscht werden müssen.


    Ich denke, du interpretierst da zu viel John-Wayne Mentalität in mein Gedankenprotokoll des Gesprächs rein ;-) Natürlich wird der Umgang mit dem Medikament, aber auch mit den Nebenwirkung vorher ausreichend geschult, sowie bei den bisherigen Medikamenten ja auch.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Bei uns gibt es ab sofort für die Retter auch Fenta, allerdings zunächst wie Morphin auch nur via TNA. Bis Jahresende wird eine entsprechende SOP erstellt, nach der dann die NotSan nach 2c auch alleine dürfen. Ich bin gespannt.

    Finde das Konzept sinnvoll, so gibt es eine kontrollierte Gewöhnungs/Trainingsphase für das neue Medikament, bevor es ohne Sicherung in die Freiwasserphase geht.

  • Die Diskussionen in den Notaufnahmen ging inhaltlich immer darum, dass durch die Nalbuphingabe die Möglichkeit zur Gabe anderer Opiatagonisten, wie Fentanyl oder Morphin, genommen wurde und die gleichzeitige Gabe den analgetischen Effekt mindern würden. Laut der Fortbildung im Mai, wo die beiden ÄLRD berichteten, ist dieses wohl nicht so. Die Erfahrungen zeigen wohl, dass die gleichzeitige Gabe von Fentanyl (oder eben kurze Zeit später) mit gleicher Dosierung problemlos war. Ich kann leider keine Zahlen liefern. Aber das passt zu der Aussage von Blodwyn76. Vielleicht kann ein Anästhesist hier dazu mehr sagen? Hilope vielleicht?

    Obwohl das Nalbuphin (nachdem sich die glorreiche Idee mit Penthrox noch vor Einführung wieder erledigt hatte) hier seit ca. 2 oder 3 Jahren in den SOP freigegeben ist, wurde es bisher kaum von den NFS angewandt. Zumindest nicht bei den Einsätzen, bei denen ich irgendwie mit dabei war. Vn daher kann ich hierzu wenig an eigener Erfahrung beisteuern. Mit ist ferner aber auch nicht bekannt, dass es durch die Gabe von Nalbuphin verstärkt zu Problemen in den Krankenhäusern bei der weiteren Versorgung kam.

    Ich kann mich nur an einen Einsatz mit einer Schulter-/ Armverletzung erinnern, bei dem der RD nach unzureichender Nalbuphingabe nachgefordert hatte. Aufgrund der zusätzlichen psychischen Komponente der Patientin entschied ich mich damals aber zur Ketamin/ Dormicum Variante, was, soweit ich mich erinnere, völlig ausreichend war.

  • Da habe ich schon mehr Probleme bei Fenta auf Morphin gesehen (weil man ja unbedingt beim Trauma Schmerz NRS 10 erst Morphin spritzen wollte und bei bescheidenem Erfolg dann schliesslich doch zu Fenta gegriffen hat…und sich dann gewundert hat, dass der Pat. in der Notaufnahmen nicht mehr atmen wollte X().

    Morphin ist ein hochpotentes Analgetikum, welches in äquivalenter Dosis bei opioidsensitiven Schmerzen ähnlich gut wirksam ist wie Fentanyl oder andere Opioide. Welches das "bessere" Medikament ist, kann pauschal nicht gesagt werden.

    Nicht vergessen sollte man, dass Morphin noch immer eines der am häufigsten verordneten und wirksamsten Medikamente in der Behandlung chronischer Schmerzen gerade bei akuten Schmerzspitzen ist, welche sich vom Niveau traumatologischer Schmerzen nicht wesentlich unterscheiden dürften. Und immerhin hat Morphin für starke und stärkste Schmerzen eine Zulassung, wohingegen der Gebrauch von Fentanyl hier noch immer nur eine off label Maßnahme darstellt, wenn auch eine sehr gängige.