Reform der Notfall- und Akutversorgung: Rettungsdienst und Finanzierung

  • Es ist doch der Wahnsinn, dass heute, wo man das weltweite Wissen innerhalb einer Millisekunde in milionenfacher Ausführung zur Verfügung hat, die Menschen immer hilfloser werden. Es wird der NOTRUF gewählt oder eine Ambulanz aufgesucht, weil man nach dem Sport Seitenstechen hat. Das kann doch eigentlich alles nicht wahr sein.

    Und das löst man durch Schulunterricht? Na dann.

  • Ich finde grundsätzlich auch den Ansatz von teleclinic.de nicht für schlecht. Einen "Termin" erhält man dort in wenigen Stunden, sitzt nicht stundenlang im Wartezimmer und 08/15 Fälle können die auch behandeln. Nachteil sind halt die Anerkennung von deren AU Bescheinigungen und das es nur Privatrezepte gibt.

    In einigen Fällen wo ich mit dem RTW kam, obwohl der Patient eigentlich den ÄND wollte, hätte teleclinic das ganze auch machen können.


    Hab den Dienst schon mehrmals in Anspruch genommen weil ich keine Lust hatte auf Wartezimmer beim Hausarzt hatte und war jedes mal sehr zufrieden. Ok, meine Krankenkasse arbeitet mit denen zusammen und daher ist es etwas unkomplizierter.

  • Also gerade die niedergelassenen Ärzte sind von den Googlediagnosen, die der Patient mitbringt, nicht begeistert. Vor allem findest du unter Kopfscherz alles bis hin zu Tumor, Blutung etc. Macht's oft schlimmer, als besser, da natürlich dann der Wunsch nach schneller Abklärung besteht.

    Ich finde das super. Meine Frau hat sich so gefreut als ich ihr - dank Google - Diagnose - sagen konnte, dass ich schwanger bin.

  • Das Thema hatten wir doch auch schon mehrfach. Der Pat. benötigt Hilfe und ruft irgendwo an. Egal wo er anruft, von dort muss er an die richtige Adresse weitervermittelt werden. Also die vermeintliche „Bagatelle“, die die 112 wählt soll eben keinen RTW bekommen, sondern z.B. eine ärztliche Beratung am Telefon, eine Vermittlung zum KV-Arzt oder zum Pflegedienst oder an die Notfallapotheke usw.
    das setzt aber eben voraus, dass diese Strukturen auch verfügbar sind. Wenn das (wie aktuell) nicht funktioniert, wird der Pat. weiter in der Notaufnahme aufschlagen. Idealerweise wird er dort dann ebenfalls an die richtige Stelle weitergeleitet (z.B. an die Notfallpraxis am KH; aber auch die muss es erstmal geben).

    Die Bagatellen möchten oft ja gar nicht ins KH oder den RTW vor der Tür. Sie brauchen Unterstützung. Wenn der RTW aber das einzige funktionierende Angebot ist, dann kommt halt der RTW.

    Die ILS und die Notaufnahmen müssen eine Gatekeeperfunktion wahrnehmen. Dazu wäre aber auch sinnvoll (wie teilweise geplant) sämtliche „Gesundheitsproblemnummern“ in einer Koordinationsstelle zusammenlaufen zu lassen (was nicht heisst, dass der 112 Disponent auch die 116117 disponieren soll, sondern dass er kurze Dienstwege und Ansprechpartner hat).

    PS: und das wäre tatsächlich die wichtigere Reform statt des NotSan-Paramedic-Bachelors (auch wenn ich weiterhin Aufstiegschancen für dringend notwendig erachte 😉).

  • Ich hab so meine Zweifel, dass die trölfzigste "Akademisierung" eines Ausbildungsberufs das Gros des RFP so viel mehr zufrieden macht. Insofern weiß ich nicht, wo sich da der vermeintliche Aufstieg verstecken soll. Umfassende, jobrelevante, fundierte Aus- und Weiterbildung jederzeit, aber warum plötzlich jeder Landschaftsgärtner einen dieser inflationär erfundenen Studienabschlüsse brauchen soll, erschließt sich mir nicht.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Nur weil es hier mehrfach gefallen ist: Auch im Ausland gibt bzw. gab es den Paramedic (Diploma in UK) früher als Ausbildungsberuf bzw. gibt es in Australien (New South Wales) noch. Gibt halt entsprechende Überleitungslehrgänge.

  • Und das löst man durch Schulunterricht? Na dann.

    Richtiger Umgang mit dem Internet, Erste-Hilfe-Kurse usw. sind ja Dinge, die als Unterrichtsinhalt nicht ganz falsch wären und teilweise ja auch schon umgesetzt werden.

  • Also gerade die niedergelassenen Ärzte sind von den Googlediagnosen, die der Patient mitbringt, nicht begeistert. Vor allem findest du unter Kopfscherz alles bis hin zu Tumor, Blutung etc. Macht's oft schlimmer, als besser, da natürlich dann der Wunsch nach schneller Abklärung besteht.

    Das ist natürlich richtig und jeder kennt solche Patienten. Die haben sich aber wenigstens Gedanken gemacht und sich informiert und bei einem blutenden Finger nicht einfach die 112 gewählt.

  • Richtiger Umgang mit dem Internet, Erste-Hilfe-Kurse usw. sind ja Dinge, die als Unterrichtsinhalt nicht ganz falsch wären und teilweise ja auch schon umgesetzt werden.

    Tragischerweise wollte man so etwas vor 25 Jahren in Baden-Württemberg umsetzen, es wurden spannende Konzepte entwickelt. Leider… (seitens höherer Ebene) man würde keinen Bedarf sehen!

  • Vor den Kernfragen d.h. Annahmezeit beim Notruf 112 und 116117 sowie Eintreffzeit und Erreichungsgrad von RTW und NA kneifen die Autoren.

    Die Leitstellen finden in Empfehlung Nummer 4 bereits ausreichend Beachtung.


    Die Empfehlung Nummer 9 lässt bei mir mehr Fragen zurück, als die anderen Empfehlungen, das mag auch daran liegen, dass ich von den KH weniger verstehe als vom RD.


    Ich hatte schon mehrmals im Forum ausgeführt, warum ich glaube, dass Fluktuation beim RFP reduziert werden sollte im Interesse der Qualität. Entwicklungsperspektiven sind da ein wichtiger Baustein glaube ich, insofern begrüße ich die Ideen der Kommission. (Warum ich nicht Medizin studiert habe, steht in meinem Blog hier im Forum. Arrogant wie ich bin glaube ich, dass ich das durchaus hätte schaffen können.)


    Bezüglich der in-übung-haltung von "Advanced NotSan" muss man glaube ich überlegen womit man das vergleicht. Nicht um Whataboutism zu betreiben, sondern um zu erkennen, ob es eine relevante Veränderung der Qualität gebe.


    Ein Beispiel:

    eine nephrologische ITS der Uni in Berlin besetzt ein NEF. Es ist klare Vorgabe, dass alle Thoraxdrainagen auf der ITS durch das eigene Personal gelegt werden. Bei schwierigen Fällen soll ein Thoraxchirurg dazugehört werden, aber die Drainage soll trotzdem der Nephrologe legen. Eben weil die Nephros auch NEF fahren.


    ein anderes Beispiel:
    eine chirurgische ITS einer anderen Uni (und Stadt) besetzt ebenfalls ein NEF. Die Chir-ITS wird hauptsächlich von Anästhesisten besetzt und geführt. Auf dieser ITS ist es üblich dass die Thoraxchirurgen kommen und die Drainage legen. Anästhesisten dort legen keine Drainagen.


    Was ich damit sagen möchte:

    ob tatsächlich ein Notarzt in der Klinik besonders gut auf die Tätigkeiten die in der Präklinik nötig sind vorbereitet wird, ist enorm abhängig von der Klinik, den Strukturen, und der persönlichen Motivation des NA. Wie niedergelassene Ärzte in Übung bleiben weis ich nicht, aber da gibts ja auch top-fitte. Dann ist ja die Frage


    Wenn wir das also hinbekommen, dass die Ressourcen schonend eingesetzt werden (kein Notarzt pauschal zur Analgesie, etc), stelle ich mir Berlin in 15 Jahren vor:

    - nur noch drei RTH (24/7 betrieben, mit PKW als Rückfallebene) mit Notarzt besetzt,

    - dann noch 10 "Advanced NotSan" (die erweiterte Analgesie machen, Thoraxdrainage, etc (aber keine RSI).

    - 120 RTW mit NotSan
    - 700 (N)KTW


    Statt also 25 NEF (und drei RTH) Stützpunkte mit 500 Ärzten (aktuell besetzen etwa 20-25 NA ein NEF in Berlin (früher mehr)) die man fit halten müsste (wenn der Klinikalltag das nicht sicherstellt), hat man drei NA-Standorte (zukünftig hoffentlich mit nur 12 NA / Standort), und 10 Advanced NotSan-Standorte (also ca. 50 Köpfe).

    Alleine schon die Trainings und Praktikumsaufwändungen sind bei so einem Konzept ein vielfaches einfacher als bei ca. 500 Notärzten. Wenn man also Defizite identifiziert, kann man da ganz anders korrigieren. Mir gehts jetzt auch nicht um das ausrechen ob irgendwo ein NEF nur von 10 oder mal von 2 Ärzten besetzt wird. Ich wollte nur mal aufzeigen wo Vorteile entstehen können bei einem höheren Grad der Spezialisierung.


    Advanced Paramedics in London (APP-CC) fahren in 12h Schicht zu über 2 Reas im Schnitt, die haben eine ganz eigene Expertise in diesen Notfällen, weil sie eben selektiert zu solchen Einsätzen fahren. Auch darüber kann man In-Übung-Haltung generieren, ganz ohne Klinik-Rotationen (je nachdem was man durchführen möchte).

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • ich bin skeptisch, ob der Weg zu einem Bachelor/Master für einige NotSan die Zufriedenheit in der Breite erhöht. Heute hängen schon die meisten Bachelor Absolventen unmittelbar oder zeitnah einen Master dran. Landen aber im Berufsleben (vor allem im öffentlichen Dienst) erst einmal auf Stellen des gD. Dort heißt es warten auf eine Position, bei der der Master gebraucht wird. Auch bei der Pflege kann ich es beobachten, dass hier viele nach der Ausbildung Pflegewissenschaften studieren, da der Studiengang Voraussetzung für Leitungsfunktionen ist. Wenn ich nun bei den NotSan schaue (und einige hier im Forum haben ja geschrieben, dass der Anteil an Abiturenten sehr hoch sei), kann es durchaus dazu führen, dass gerade die Jungen schnell den Bachelor machen. Das Problem ist nur, dass die Stellen für Bachelor/Master endlich sind. (Wenn ich Hubschrauber und Kindernotarzt rausrechne wären das bei uns 11 NA Standorte, die durch NotSan Bachelor/Master ersetzt werden könnten). Im Endeffekt habe ich dann eine Reihe an Bachelor (oder schlimmer Master) auf den RTWs auf NotSan Stellen sitzen. Erinnert mich an die RettAss, die auf RS Stellen saßen, da es nicht genug RettAss Stellen gab. Und da war die Unzufriedenheit groß.

  • Was verstehst Du unter "erweiterte Analgesie"?

    Das wird sich zeigen. Ich habe leider kein fertiges Konzept in der Tasche. Ich kann mir aber vorstellen dass es Situationen gibt, wo ein NotSan mit seinen Konzepten nicht weiter kommt, oder unsicher ist. Möglicherweise wird auch die Analgosedierung eine Option sein, oder gar Blöcke, je nachdem wie sich das entwickelt. Will wie gesagt nicht pauschal sagen x ist nötig oder richtig. Vielleicht wird Analgesie auch gar kein Thema sein, dafür was anderes. Who knows.

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  • ich bin skeptisch, ob der Weg zu einem Bachelor/Master für einige NotSan die Zufriedenheit in der Breite erhöht. Heute hängen schon die meisten Bachelor Absolventen unmittelbar oder zeitnah einen Master dran. Landen aber im Berufsleben (vor allem im öffentlichen Dienst) erst einmal auf Stellen des gD. Dort heißt es warten auf eine Position, bei der der Master gebraucht wird. Auch bei der Pflege kann ich es beobachten, dass hier viele nach der Ausbildung Pflegewissenschaften studieren, da der Studiengang Voraussetzung für Leitungsfunktionen ist. Wenn ich nun bei den NotSan schaue (und einige hier im Forum haben ja geschrieben, dass der Anteil an Abiturenten sehr hoch sei), kann es durchaus dazu führen, dass gerade die Jungen schnell den Bachelor machen. Das Problem ist nur, dass die Stellen für Bachelor/Master endlich sind. (Wenn ich Hubschrauber und Kindernotarzt rausrechne wären das bei uns 11 NA Standorte, die durch NotSan Bachelor/Master ersetzt werden könnten). Im Endeffekt habe ich dann eine Reihe an Bachelor (oder schlimmer Master) auf den RTWs auf NotSan Stellen sitzen. Erinnert mich an die RettAss, die auf RS Stellen saßen, da es nicht genug RettAss Stellen gab. Und da war die Unzufriedenheit groß.

    das ist eben der Status quo momentan. Das heisst ja nicht, dass man das nicht ändern kann. Und das Ziel ist ja nicht, dass jeder NotSan den Bachelor dranhängt. Sondern nur die, die sich nach einigen Jahren Berufserfahrung dafür qualifizieren bzw. interessieren. Das wäre ja z.B. auch eine Option die MA zu halten: AG finanziert das Studium.
    Und die werden dann i.d.R. nicht mehr auf dem RTW sitzen.
    Es soll ja weiter den ausgebildeten NotSan geben. Das weiterführende Studium erfolgt idealerweise bedarfsgerecht.

  • das ist eben der Status quo momentan. Das heisst ja nicht, dass man das nicht ändern kann. Und das Ziel ist ja nicht, dass jeder NotSan den Bachelor dranhängt. Sondern nur die, die sich nach einigen Jahren Berufserfahrung dafür qualifizieren bzw. interessieren. Das wäre ja z.B. auch eine Option die MA zu halten: AG finanziert das Studium.
    Und die werden dann i.d.R. nicht mehr auf dem RTW sitzen.

    das ist auch nicht das Ziel bspw. in der Pflege oder dem gehobenen Dienst. Trotzdem machen die Leute die (kostenpflichtigen) Studiengänge selbstständig. Das kannst du gar nicht vermeiden. Und dann hast du die überqualifizierten Mitarbeiter ohne Chance auf eine der Ausbildung entsprechenden Tätigkeit.

    Es soll ja weiter den ausgebildeten NotSan geben. Das weiterführende Studium erfolgt idealerweise bedarfsgerecht.

    Das wirst du nur nicht steuern können.

  • Landen aber im Berufsleben (vor allem im öffentlichen Dienst) erst einmal auf Stellen des gD

    Das liegt meiner Erfahrung nach hauptsächlich an der Art des Beschäftigungsverhältnissen. Bist Du Beamter, hast einen Master und eine hD-Vorbereitung durchlaufen, so bekommst Du gleich eine hD Stelle. Bist Du nicht verbeamtet, als Angestellter bzw. Beschäftigter, dann landest du mit einem Master häufig auf einer gD-Stelle. Weil es zwar viele gD-Stellen gibt, jedoch nur wenige hD-Stellen. Und da sitzen meistens Beamte drauf.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Und das Ziel ist ja nicht, dass jeder NotSan den Bachelor dranhängt. Sondern nur die, die sich nach einigen Jahren Berufserfahrung dafür qualifizieren bzw. interessieren.

    Ein Studium, das nicht mit allgemeiner oder fachgebundener Hochschulreife zugänglich ist, sondern nur mit abgeschlossener Berufsausbildung und ggf. Berufserfahrung? Hm.

  • Die Zulassungs-Voraussetzung für das Studium wurden doch gar nicht explizit erwähnt, oder habe ich da was überlesen.

    Vieleicht wird ja die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife erwartet...

  • Die Zulassungs-Voraussetzung für das Studium wurden doch gar nicht explizit erwähnt, oder habe ich da was überlesen.

    Vieleicht wird ja die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife erwartet...

    Das halte ich für naheliegend, ja. Dann ist es aber auch naheliegend, dass nicht wenige mit dem Studium einsteigen - das ist ja auch der normale Weg.

  • Das halte ich für naheliegend, ja. Dann ist es aber auch naheliegend, dass nicht wenige mit dem Studium einsteigen - das ist ja auch der normale Weg.


    Es ist ja nicht gesagt, dass ein Studium pauschal Berufsqualifizierend sein muss.

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