Bad Oeynhausen - Trotz Herzinfarkt: Rettungsdienst verweigert Transport

  • Eben!

    Und bei einem kardiologisch Vorerkrankten?


    EKG Interpretation bzw. Infarktdiagnostik ist nicht so trivial wie man denken könnte. Das ist auch nicht mal schnell mit einer Zusatzschulung erledigt. Man muss eben die dahinterstehende Physiologie bzw. Pathophysiologie verstanden haben und auch letztendlich therapeutische Konsequenzen aus der Interpretation ableiten können.

    Dein Beispiel des Erkenntnisgewinns ist leider keins: Eine relevante Myocardischämie wird mit erfragbaren Symptomen und ggf. veränderten Vitalparametern einhergehen. Um ein ACS in den Diagnosetrichter zu packen benötigt man kein EKG. Und ACS-Verdacht auf einem N-KTW heißt eben Kavallerie nachfordern. Nett wenn in der Zwischenzeit dann ein korrekt geklebtes 12er geschrieben wird - eine Konsequenz für den RS hat es allerdings keine.
    Manchmal bedeutet zu viel Technik auch zu viel Spielerei ohne Sinn und Verstand.


    Was weiter oben geschildert wurde, kann ich aus meinem Bereich übrigens bestätigen: Ein RS ist heutzutage pauschal nicht mehr ausreichend qualifiziert um als Transportführer Notfallpatienten adäquat einzuschätzen und eigenständig abzuarbeiten. Es gibt kompetente Ausnahmen, keine Frage, ist aber nicht die Masse. Daher sehe ich N-KTW Projekte, welche ungesichtete Patienten fahren, auch eher kritisch.

    Stimme dir weitestgehend zu, aber: Patienten, die so oligosymptomatisch sind, dass sie sowohl dem Disponenten, als auch der KTW-Besatzung durch die Lappen gehen, werden sehr selten so relevant erkrankt sein, dass sie ein schlechteres Outcome haben, wenn sie ohne weitere Sichtung in die nächste ZNA oder KV-Anlaufpraxis gebracht werden.

    Es wäre mEn also durchaus sinnvoll, mutmaßlich leicht erkrankte Patienten ohne weitere Diagnostik einer ärztlichen Untersuchung zuzuführen, statt dies durch NotSan ohne diagnostische Möglichkeiten, die über Anamnese, Blutdruck und EKG hinausgehen, machen zu lassen. Dies setzt aber natürlich entsprechend leistungsstarke ambulant-ärztliche Versorgungsmöglichkeiten voraus.

  • Oh Mann, jetzt geht der Käse wieder los.

    Das dachte ich auch eben...

    (...)

    Initialer Fehler war das Nicht-Disponieren eines RTW. Abdominelle Schmerzen können als absolute Killerdiagnosen Ischämien, Hohlorganrupturen sowie Aortensyndrome als Ursache haben, für eine halbwegs ordentliche Risikostratifizierung ist ein KTW schlichtweg nicht ausreichend - von Analgesie will ich gar nicht mal anfangen. (...)

    Wobei hier wieder extreme Defensivmedizin zum Einsatz kommen würde. Kopfschmerzen könnten ein Hirntumor sein, dreimal Husten ein Lungenversagen, usw. Denn das würde bedeuten, dass jeder, der seit 3 Wochen Bauchschmerzen hat, sofort einen RTW mit Alarm und einen Hubschrauber aufgebrummt bekommen müsste. Es könnte ja um Leben und Tod gehen. Das Thema ist in der Tat nicht einfach.

    Wenn man halt Tag täglich nur Taxifahrten macht, kann man diesen Fixierungsfehler allerdings sogar nachvollziehen.

    Und hier stimme ich Dir zu. Die RettSan-Ausbildung gehört reformiert (und nein, einen Notfallrettungssanitäter brauchen wir nicht), die KTW sollten wieder für richtige Krankentransporte eingesetzt werden und nicht als Taxi/Sondermietwagen missbraucht werden.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Fahren bei euch die KTW wirklich nur Patienten mit Transportschein? "Hier" ist es normal, dass der KTW selbstständig untersucht und transportiert und dann den Trapo vom KH bekommt. Dass das eigentlich nur bei Notfallpatienten zulässig ist, ist vielen nicht bekannt und die restlichen ignorieren es.

  • Fahren bei euch die KTW wirklich nur Patienten mit Transportschein? "Hier" ist es normal, dass der KTW selbstständig untersucht und transportiert und dann den Trapo vom KH bekommt. Dass das eigentlich nur bei Notfallpatienten zulässig ist, ist vielen nicht bekannt und die restlichen ignorieren es.

    Nicht ausschließlich, aber deutlich überwiegend

  • Kommt hier auch vor, gerne aber auch als "Nachhut" des RTW - RTW kommt, stellt fest ist nix für den RTW und KTW kommt dann nachgelagert später (meist so 1-4h) und transportiert.

    Gerade bei den ganzen "nur mal zur Kontrolle vorstellen" Dingen bei denen aber auch der KV/Hausarzt nix machen kann beim Hausbesuch weil es z.B, ein Röntgen braucht ist das eine sehr charmante Alternative, gerade in Situationen in denen Transportweg etwas länger ist.


    KTW kriegt dann einen Protokollausdruck hinterlegt und RTW sendet zusätzlich das Protokoll zusätzlich in die Klinik.

    Ich nutze das sehr gerne mittlerweile.

    • KTW fahren hier regelhaft nur mit T-Schein (planbare Transporte) / die Auslastung der KTW ist so hoch, dass diese für nicht planbare Nicht-Notfallpatienten quasi nie zur Verfügung stehen (dort müssen dann eben die NKTW und RTW hin)
    • Krankenhäuser stellen hier für ankommende Patienten gar keine T-Scheine aus (braucht man hier aber auch nicht; es kann regelhaft ohne T-Schein abgerechnet werden)

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Kommt hier auch vor, gerne aber auch als "Nachhut" des RTW - RTW kommt, stellt fest ist nix für den RTW und KTW kommt dann nachgelagert später (meist so 1-4h) und transportiert.

    Gerade bei den ganzen "nur mal zur Kontrolle vorstellen" Dingen bei denen aber auch der KV/Hausarzt nix machen kann beim Hausbesuch weil es z.B, ein Röntgen braucht ist das eine sehr charmante Alternative, gerade in Situationen in denen Transportweg etwas länger ist.


    KTW kriegt dann einen Protokollausdruck hinterlegt und RTW sendet zusätzlich das Protokoll zusätzlich in die Klinik.

    Ich nutze das sehr gerne mittlerweile.

    😍😍😍😍


    Ein Traum! Hier fährt der RTW leider alles. Bei einer KTW Nachforderung würde einem der Vogel gezeigt werden.

  • Hier leider komplettes Gegenteil, da sollen sogar Einweisungen, die als RTW-ohne disponiert wurden und vor Ort ein KTW bescheinigt ist vom RTW transportiert werden.

    Begründung ist das (veraltete) hessische MZF-System, trotz bis zu 5 KTW für einen 96.798 Einwohner umfassenden Flächenlandkreis bei bestenfalls 10 RTW oder sogar die bewusste Entsendung eines RTW trotz angefordertem KTW, nicht etwa aufgrund des geschilderten Notfallbildes, sondern der behaupteten Inkompetenz des einweisenden Arztes seitens der Leitstelle.

    Dass gabze natürlich bei exzessiver Mobile-Wachen Strategie.

  • Alter, was genau stimmt bei dir nicht :face_with_tears_of_joy:

  • Erfahrung alleine ist ein falscher Freund. Erfahrung bedeutet auch, zig mal gesehen zu haben, wie FNT funktioniert, heisst aber nicht, dass man die Verantwortung tragen kann, vor allem wenn eine Massnahme unerwartet sich in eine unerwünschte Richtung entwickelt.

  • In diese Selbstüberschätzung lässt man sich gerne treiben, wenn man bei zahlreichen Einsätzen dabei war, aber dabei nie die wirkliche die Verantwortung getragen hat.


    Dann erlebt man ja (hoffentlich), dass Einsätze laufen, dass Entscheidungen getroffen werden und dass man den Patienten gut in die Klinik bringt. Maßnahmen werden durchgeführt, gerne auch mal vom RS und wenn das nicht klappt, dann halt vom NotSan. Alles easy.


    Das ist aber tatsächlich eine völlig andere Nummer, wenn man derjenige ist, der in der Verantwortung steht. Wenn man also die Entscheidung treffen und schlussendlich verantworten MUSS. Oder wenn die Maßnahme klappen MUSS, weil der Patient das jetzt wirklich braucht.


    Nur kann man dieses Gefühl des „in der Verantwortung einsam sein“ nicht wirklich vermitteln, sondern nur erleben. Jeder, der diese Verantwortung bereits getragen hat und erlebt hat, dass der Einsatz gerade nicht läuft, wird mir recht geben, dass sich das sch…. anfühlt und an einem kratzt. Zumindest dann, wenn man ein verantwortungsbewusster Mensch ist.


    Ich erlebe immer wieder, dass solche Selbstüberschätzungen voller Überzeugung und leider auch voller Ahnungslosigkeit geäußert werden, habe es aber aufgegeben, dagegen zu argumentieren. Der einzig mögliche Weg Erkenntnis zu schaffen, ist die Leute in die Situation zu bringen, dass sie selbst erleben, dass es nicht so einfach ist, wie es aussieht. Das ist auch der Grund, warum ich wichtig finde, dass RS nicht nur als Fahrer auf dem RTW eingesetzt werden, sondern auch der Verantwortliche auf dem KTW sind. Da erleben sie dann auch mal, dass sie an der Einsatzstelle mehr machen müssen, weil die Einschätzung der Leitstelle doch zu optimistisch war und der Patient jetzt doch etwas mehr Hilfe braucht. Und wenn sie dann die Zeit bis zum Eintreffen des RTW überbrücken müssen, dann zeigt sich auch, wer sein Handwerk kann und wer der Verantwortung gewachsen ist. Und auch, wer sich der eventuell kritischen Einschätzung des nachrückenden Fachpersonals stellt.


    Übrigens gilt das nicht nur für RS, die „locker den NotSan in die Tasche stecken“. Sondern gerne auch mal für NotSan, die „ganz easy ohne Notarzt auskommen würden“. Der Einsatz kommt, an dem man froh ist, wenn man jemand hinzuziehen kann, der die Verantwortung übernimmt oder mindestens teilt.


    Eddy

  • Was der KTW nicht kann, kann ein RTW nicht unbedingt besser:


    Zitat

    Zwischenzeitlich kommt Möhrpahls Schwester in der Wohnung in der Gartenallee an. Sie soll der 72-Jährigen eine Tasche für das Krankenhaus packen. Das passte auch dem Rettungsdienst offenbar ziemlich gut. Die Mitarbeiter sagen laut Möhrpahl, dass ihre Schwester sie in das Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster fahren soll. "Meine Schwester sagte: Ja. Ihr blieb ja auch gar nichts anderes übrig. Ihr war klar, dass es mir richtig schlecht geht."

    ndr.de

  • Ich sehe da ein gewisses Logikproblem. Wenn man sich nicht sicher ist, ob es dem Patienten gut geht, und man sich absichern möchte, dann gibt es einen Arzt in der Notaufnahme.

    In der Notaufnahme sollten allerdings auch nur die Patienten landen, die aufgenommen werden sollen, bei denen also eine Einweisung vorliegt oder im Notfall eine Klinikaufnahme anzunehmen ist. Wenn eine Aufnahme nicht erforderlich ist, sollte die Untersuchung ambulant erfolgen. Sektorentrennung, und so - und die Notaufnahme soll ja gerade kein allgemeinmedizinischer Wartesaal sein.

  • Eine sehr spannende Diskussion! Es ist richtig, dass es viele richtig fitte Rettungssanitäter gibt, die mit ihrer Erfahrung jeden frischgebackenen Notfallsanitäter in die Tasche stecken. Aber leider ist das keine Selbstverständlichkeit und aus dem Etikett "Rettungssanitäter" allein kann man keine Qualität ableiten.

    Natürlich nicht. "Angelernter Hilfsarbeiter" und "Qualität" passen nicht zusammen.

    Was würdet ihr in diesem Zusammenhang davon halten, für Notfall-KTWs das Berufsbild des Notfallrettungssanitäters zu etablieren?

    Nichts. Einsatzerfahrung hat keinen kausalen Zusammenhang zur Qualifikation. Man kann auch jahrelang in einem Beruf tätig sein und nichts dazulernen.


    Als Berufsbild ist der Notfallsanitäter etabliert. Es gibt keinen Anlass, daneben ein weiteres Berufsbild zu etablieren, zumal ein solches wiederum eine Berufsausbildung in ähnlichem Umfang voraussetzen würde.

  • Aber auch die Abklärung, ob eine stationäre Aufnahme erforderlich ist, ist eine Aufgabe einer Notaufnahme.

    Der unklare Thoraxschmerz in der präklinik ist ja völlig offen, ob überhaupt eine stationäre Aufnahme erfolgt.

    Oder Krampfanfall bei bekannter Epilepsie, aktuell noch stark Vigilanzgemindert.

  • Aber auch die Abklärung, ob eine stationäre Aufnahme erforderlich ist, ist eine Aufgabe einer Notaufnahme.

    Der unklare Thoraxschmerz in der präklinik ist ja völlig offen, ob überhaupt eine stationäre Aufnahme erfolgt.

    Oder Krampfanfall bei bekannter Epilepsie, aktuell noch stark Vigilanzgemindert.

    Ja, aber auch nur dann, wenn eine Aufnahme zumindest sehr wahrscheinlich erscheint. Die meisten Aufnahmen haben überhaupt keine ambulante Zulassung.

  • Ja, aber auch nur dann, wenn eine Aufnahme zumindest sehr wahrscheinlich erscheint. Die meisten Aufnahmen haben überhaupt keine ambulante Zulassung

    also bei uns in Schleswig-Holstein sind Patientinnen oder Patienten in eine der nächstgelegenen geeigneten Behandlungseinrichtungen (vgl. § 2 Abs. 1 SHRDG) zu verbringen. Bei dem ursprünglichen Fall Bad Oeynhausen darf ex ante betrachtet von einer stationären Aufnahme ausgegangen werden. Wie von Karsten geschrieben, verbietet sich eine Verbringung eines unklaren Thoraxschmerzpatienten in eine ambulant tätige Behandlungseinrichtung.

  • Ja, aber auch nur dann, wenn eine Aufnahme zumindest sehr wahrscheinlich erscheint. Die meisten Aufnahmen haben überhaupt keine ambulante Zulassung.

    Aber das wägt ja der Rettungsdienst vorher gut ab, ne? ;)

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • verbietet sich eine Verbringung eines unklaren Thoraxschmerzpatienten in eine ambulant tätige Behandlungseinrichtung.

    Nö, eigentlich nicht. Die Untersuchungen, die hierfür regelmäßig in einer Notaufnahme gemacht werden, können problemlos auch in einer ambulanten Einrichtung erbracht werden.